Der arktische Permafrost speichert große Mengen Kohlenstoff – mehr als die gesamte Atmosphäre. Anhand von Sedimentuntersuchungen haben Forscher nun drei große Klimaerwärmungen der letzten 27.000 Jahre rekonstruiert. Wie sie nachweisen konnten, reichten in der Vergangenheit schon Erwärmungen um wenige Grad aus, um weite Teile des Permafrosts zum Schmelzen zu bringen und große Mengen Treibhausgase freizusetzen. Die Treibhausgase aus dem Permafrost wiederum beschleunigten eine weitere globale Erwärmung – ein Szenario, das angesichts des menschengemachten Klimawandels in naher Zukunft erneut droht.
Der Permafrost in der Arktis bleibt das ganze Jahr über gefroren. Tiefe Bodenschichten sind teils seit Jahrtausenden nicht aufgetaut. Dadurch wurde bislang das darin gelagerte organische Material – Reste von Tieren und Pflanzen – vor der Verwesung bewahrt. Taut der Permafrost jedoch in Folge der globalen Erwärmung auf, beginnen Mikroorganismen, das organische Material zu zersetzen. Der enthaltene Kohlenstoff wird dabei innerhalb kurzer Zeit in Form der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in die Atmosphäre freigesetzt. Diese wiederum tragen dazu bei, dass sich die Atmosphäre weiter aufheizt und mehr Permafrost schmilzt, der weitere Treibhausgase freisetzt – es kommt zu einer gefährlichen positiven Rückkopplung.
Blick in die Vergangenheit für Zukunftsprognosen
Ein Team um Jannik Martens von der Universität Stockholm hat nun anhand von Sedimentuntersuchungen nachgewiesen, dass solche Ereignisse in der Vergangenheit bereits mehrfach vorgekommen sind. Die Forscher untersuchten dazu einen acht Meter langen Sedimentkern aus Sibirien, der 2014 während einer Expedition aus dem Meeresboden mehr als 1000 Meter unter der Oberfläche des Arktischen Ozeans geborgen wurde. Dieser ermöglichte ihnen einen Blick in die Vergangenheit auf die Ursachen und Auswirkungen von Klimaerwärmungen gegen Ende der letzten Eiszeit.
„Unsere Studie zeigt zum ersten Mal die ganze Geschichte, wie Erwärmungen am Ende der letzten Eiszeit das Auftauen des Permafrosts in Sibirien ausgelöst haben. Dies deutet auch auf die Freisetzung großer Mengen von Treibhausgasen hin“, beschreibt Martens. „Es ist wahrscheinlich, dass das damalige Auftauen des Permafrosts während Klimaerwärmungen vor etwa 14.700 und 11.700 Jahren zum Teil auch mit dem Anstieg der CO2-Konzentrationen zusammenhängt, der in den antarktischen Eiskernen für diese Zeiten zu beobachten ist. Es scheint, dass eine Erwärmung der Arktis um nur wenige Grad Celsius ausreicht, um große Gebiete zu zerstören, die vom Permafrost bedeckt sind, und potenziell das Klima zu beeinträchtigen.”
Beschleunigung der Küstenerosion
Mit Hilfe der Radiokarbon-Methode und der Analyse molekularer Biomarker konnten die Forscher organische Überreste aus den verschiedenen Schichten des Sedimentkerns datieren und bestimmen, ob das Material ursprünglich aus dem Meer oder vom Land stammte. „Aus diesem Kern erfuhren wir auch, dass die Erosion der Permafrostküsten eine wichtige treibende Kraft für die Zerstörung des Permafrosts am Ende der letzten Eiszeit war“, sagt Martens Kollege Örjan Gustafsson. „Die Küstenerosion setzt sich bis heute fort, wenn auch zehnmal langsamer als in dieser früheren Erwärmungsphase. Mit den jüngsten Erwärmungstrends sehen wir jedoch wieder eine Beschleunigung der Küstenerosion in einigen Teilen der Arktis, die voraussichtlich Treibhausgase durch Abbau des enthaltenen organischen Materials freisetzen wird.“
Auf Basis ihrer Untersuchungen warnen die Forscher vor den massiven Auswirkungen der entstehenden positiven Rückkopplung. „Jede Freisetzung aus dem auftauenden Permafrost bedeutet, dass im Haushalt des Erdklimasystems noch weniger Platz für die Freisetzung anthropogener Treibhausgase vorhanden ist, bevor gefährliche Schwellenwerte erreicht werden“, so Gustafsson. „Die einzige Möglichkeit, die Freisetzung von Treibhausgasen aus dem Permafrost zu begrenzen, besteht darin, die Klimaerwärmung durch Senkung der anthropogenen Treibhausgasemissionen zu mildern.“
Quelle: Jannik Martens (Stockholm University) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abb6546