Ein Schussopfer abgebildet in der Cave: Rechtsmediziner der Universität Zürich haben den Toten vor der Autopsie geröntgt. Durch das virtuelle Abbild kann der Verlauf der Schusskanäle leicht rekonstruiert werden. (Foto: Thomas Klink, Datenquelle: Virtopsy, Institut für Rechtsmedizin, Universität Zürich)
Ein Schussopfer abgebildet in der Cave: Rechtsmediziner der Universität Zürich haben den Toten vor der Autopsie geröntgt. Durch das virtuelle Abbild kann der Verlauf der Schusskanäle leicht rekonstruiert werden. (Foto: Thomas Klink, Datenquelle: Virtopsy, Institut für Rechtsmedizin, Universität Zürich)
Schüsse in einer Gaststätte. Der Schütze gibt später zu Protokoll, er habe durch das Fenster auf die Decke des Raums gezielt, Menschen habe er nicht treffen wollen. Ein Blick auf den Tatort zeigt: Linien durchziehen den Raum, die die verschiedenen Schussbahnen nachvollziehen. Daraus ergibt sich: Ein “Versehen” können die tödlichen Schüsse nicht gewesen sein.
Bei dem Tatort handelt es sich um ein 3D-Abbild, das Forscher um den Informatiker Wolfgang Schotte vom Stuttgarter Höchstleistungszentrum in die “Cave” projizierten. In diesem rund 20 Kubikmeter großen Würfel aus Acrylglas können reale Orte dreidimensional visualisiert werden, die zuvor per Laser gescannt wurden. Wer die “Hightech-Höhle” mit einer speziellen Brille auf der Nase betritt, sieht den Tatort in allen drei Dimensionen. Sogar die Perspektive ändert sich passend zur Bewegung – dafür sorgen Sensoren, die den Standort des Betrachters ermitteln.
Konservierter Tatort
Am Abbild des realen Tatorts lassen sich Zeugenaussagen überprüfen. Konnte der Wirt den Angreifer von der Theke aus wirklich nicht sehen? Die Situation lässt sich in der Cave nachstellen. Anwälte und Richter können so auch den Tathergang nachempfinden – statt wie oft zahllose Einzelfotos, Gebäudepläne und Landkarten zu begutachten. Auch Jahre nach einer Tat ist es möglich, den konservierten Tatort noch einmal anzuschauen und erneut zu analysieren.
Doch wie kommt der komplette Tatort in die Cave? Dafür muss der Ort zunächst mit einem 3D-Laserscanner von mehreren Standpunkten aus erfasst werden. Sensoren berechnen dafür aus den Reflexionen der Laserstrahlen die Entfernung eines Messpunkts zum Scanner. Zudem wird der Messstandort per GPS bestimmt. Die Scangeräte können aus bis zu 200 Meter Entfernung etwa eine Million Punkte pro Sekunde mit einer Auflösung von bis zu 0,1 Millimeter messen. Am Computer berechnet dann das Team um Wolfgang Schotte aus den Messdaten eine Punktwolke, die den Tatort in 3D wiedergibt. Allerdings können die Laser keine Farbinformationen aufnehmen. Eine Kamera fängt deshalb am Originalort die Farben ein, deren Daten am Rechner den Messpunkten zugeordnet werden.
Ungleiches Abbild
In Deutschland werden so bereits viele Schauplätze von Straftaten, aber auch schweren Verkehrsunfällen vermessen und als eine große Datei gespeichert. Doch diese Dateien können Fehler enthalten, wie Schotte berichtet: Bei der Anklage eines US-amerikanischen Anästhesisten sagten zwei Pflegerinnen aus, sie hätten den Arzt dabei beobachtet, wie er eine Patientin missbraucht habe. Die Scan-Daten des Operationssaals zeigten, dass die beiden den Arzt gar nicht sehen konnten, weil ihnen ein Vorhang die Sicht versperrte. Wie sich später herausstellte, besaß der Vorhang in der Realität ein Lochmuster, das bei der Nachbearbeitung vom Algorithmus einfach geschlossen wurde.
Scanner als Smartphone-Gadget
Trotz solcher Tücken helfen die Laserscanner, einen Tatort präzise und rasch aufzunehmen. Das Landeskriminalamt Düsseldorf war 2004 eine der ersten Polizeibehörden weltweit, die in einen Laserscanner investierte. Heute stehen alle Bundesländern und dem Bundeskriminalamt große Laserscanner und tragbare Handscanner zur Verfügung. In Zukunft, so die Hoffnung, soll es die Scanner auch als Smartphone-Erweiterung geben.
bdw-Fotograf Thomas Link hat die Stuttgarter Cave für die Reportage “Ein Tatort zum Mitnehmen” abgelichtet, die in der Februar-Ausgabe von bild der wissenschaft erschienen ist.
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