Eigentlich sind sie wie Kinder. Manchmal machen sie Blödsinn oder einfach nicht das, was sie sollen. Vor allem aber muss man sie bei Laune halten, wenn man will, dass sie bei der Sache bleiben. Was für die Robben letztlich Spiel ist, bedeutet für die Menschen Forschung. Bei Eric beispielsweise: Der 5-jährige Kalifornische Seelöwe tollt manchmal lieber weiter mit seinem Bruder im Wasser herum, als sich von den Biologen auf seine visuellen Fähigkeiten hin testen zu lassen. Gut ein Dutzend Robben leben im Marine Science Center an der Ostsee. Was 2008 an der Spitze des Rostocker Hafens beim Jachtanleger „Hohe Düne“ startete, ist inzwischen die weltweit größte Robbenforschungsstation. Gegründet wurde sie vom Neuro- und Verhaltensbiologen Guido Dehnhardt, der sie bis heute leitet. Ihm und seinen Kollegen geht es darum zu verstehen, wie die Tiere tasten, sehen, hören, riechen und schmecken.
Da sind zum Beispiel die bis zu zehn Zentimeter langen Barthaare der Meeressäuger, Vibrissen genannt: Die äußerst sensiblen Sensoren sind um ein Vielfaches empfindlicher als die Schnurrhärchen einer Katze. Jedes der etwa 100 Haare endet an einem Knäuel zahlreicher Nerven. Mithilfe dieses Sinnesorgans können Seehunde im Wasser kleinste Änderungen der Strömung wahrnehmen. Das hilft ihnen bei der Futtersuche. „Die Vibrissen können die Spur eines Fisches auch bei rauer See herausfiltern. Die Robbe ist auf diese Weise in der Lage, ihre Beute über große Entfernungen zu verfolgen“, sagt Guido Dehnhardt.
Experimente mithilfe von Trillerpfeife und Fisch
Die Robben in der Forschungsstation müssen sich nicht so anstrengen, um an ihr Futter zu kommen. Etwa 2500 bis 3000 Euro pro Tier und Jahr kostet das Futter, rechnen die Forscher vor. Der Fisch hat aber noch eine andere Funktion: die Belohnung. Denn nur wenn Eric und Co. beim täglichen Training mitmachen und sich den Herausforderungen stellen, kommen die Forscher zu neuen Erkenntnissen. Mit einem Pfiff aus der Trillerpfeife wird dabei die Belohnung ankündigt. Dann erfährt die Robbe unter Wasser, dass sie eine Aufgabe zur Zufriedenheit gelöst hat – und nur noch auftauchen muss, weil es dann im Marine Science Center heißt: Jetzt gibt‘s Fisch.
Die Forscher planen künftig aber auch „echte Orientierungsexperimente“ im offenen Meer. Denn Tiere haben verschiedene Möglichkeiten, sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden. Manche markieren ihren Weg: die „Hänsel-und-Gretel-Strategie“. Und einige Arten können sich nach einer mentalen Karte richten – so speichern wohl manche Säugetiere und Vögel ihre Umgebung als eine Art Landkarte im Gehirn. Noch ungeklärt ist dagegen, wie es Robben gelingt, lange Zeit im Meer herumzustreifen und dann auf direktem Weg zum Ausgangspunkt zurück zu finden.
Den Experimenten dazu sieht das Team mit Spannung entgegen. Doch die Wegstreckenversuche werde man zunächst nicht mit allen Tieren riskieren, sagt Dehnhardt. „Ich bin mir eigentlich sicher, dass alle zurückkommen, aber bei dem einen oder anderen denke ich manchmal doch: Wer weiß, vielleicht nutzt er die Gelegenheit und macht sich auf nach Schweden?“
Dieser gekürzte Artikel stammt aus der Ausgabe September 2019 von bild der wissenschaft. Mehr über die Sinne der Robben und wie Biologen sie erforschen, lesen Sie im vollständigen Heft-Beitrag.