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Den Luftangriff Deutschlands im Herbst und Winter 1940 auf London und andere Städte Großbritanniens nannten die Einwohner „Blitz“. 18.000 Tonnen Bomben wurden in 57 aufeinander folgenden Nächten allein auf die Hauptstadt abgeworfen. Dieses Foto wurde inszeniert, um insbesondere die Notsituation von Kindern darzustellen. (Foto: Getty Images/koloriert von Marina Amaral)
Der Erfinder Thomas Edison, der Unternehmer John Rockefeller und der Aktivist Nelson Mandela – sie alle sind Gesichter der neueren und neuesten Geschichte. Der Bildband „Die Welt von gestern in Farbe“ erzählt von den größten Erfolgen in Wissenschaft und Wirtschaft in der Zeit von 1850 bis 1960. Die Bilder illustrieren Kämpfer für Freiheit und Unabhängigkeit und zeigen Leid und Hunger durch Krieg. Dabei ist es ein etwas anderes Geschichtsbuch: Denn wie der Titel verrät, kann der Leser erstmals Fotos aus der Vergangenheit in Farbe betrachten.
1896 fanden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt. Eine Schwarz-Weiß-Fotografie dokumentiert den 100-Meter-Lauf. 1937 ging die „Hindenburg“ in Flammen auf. Der Absturz des Luftschiffs ist ebenfalls fotografiert worden – in schwarz-weiß. Für einen Bildband hat nun die Brasilianerin Marina Amaral diese Bilder und 200 weitere historische Fotos koloriert. Statt mit Leinwand und Pinsel arbeitete sie am Computer. Trotzdem musste sie jedes Bildsegment von Hand kolorieren. Der Arbeit am Bildschirm gingen aufwendige Recherchen im Web und in Archiven voran. Für den Bildband sprach die Koloristin, wenn möglich, auch mit Zeitzeugen, um die Originalfarben etwa von Soldatenwesten oder Häuserfassaden zu rekonstruieren.
Farben verleihen Leben
Zu jedem Foto erklärt der britische Journalist, Autor und Historiker Dan Jones die Hintergründe. Das Buch ist chronologisch aufgebaut und jedes der elf Kapitel befasst sich mit einem Jahrzehnt der neueren und neuesten Geschichte. Der Leser erfährt auch, was die Menschen im jeweiligen Jahrzehnt umtrieb und unter welchen Umständen die Fotografien entstanden sind.
Amaral und Jones präsentieren in ihrem Bildband historische Fotos neu und haben so ein fesselndes Geschichtsbuch geschaffen. Sie haben eine gelungene Auswahl getroffen und sich sichtlich bemüht, möglichst viele Facetten der jüngeren Vergangenheit abzubilden. So erfährt der Betrachter auch Details aus der Geschichte von Ländern, die hierzulande im Schulunterricht nicht besprochen werden.
Das einzige Manko: Nur wer das ursprüngliche Bild in schwarz-weiß kennt, begreift, wie sich ein Foto durch Farbe verändert. Allein mit dem Bildband kann der Betrachter den Vergleich nicht ziehen, weil ausschließlich die kolorierten Versionen abgedruckt sind. Wer diesen Vergleich haben möchte, wird online fündig: Für die Bilder-Galerie „Faces of Auschwitz“ hat Amaral die Fotos von Holocaustopfern eingefärbt. Mit einem Regler lässt sich zwischen Original und Farbbild hin- und herschalten. Dabei wird deutlich, wie die Farbe den abgebildeten Menschen Leben verleiht. In Zusammenarbeit mit dem Museum Auschwitz möchte Amaral mithilfe der kolorierten Porträts die Geschichten der Menschen erzählen, die in dem Konzentrationslager litten und starben.
Dan Jones und Marina Amaral
Die Welt von gestern in Farbe
Eine neue Geschichte der Welt von 1850 bis 1960
Mit über 200 historischen Fotografien erstmals in Farbe
Riva Verlag, München 2018, € 29,99
Auf dem Cover: Das deutsche Luftschiff LZ 129 Hindenburg geht am 6. Mai 1937 bei der Landung in New Jersey in Flammen auf. (Foto: Getty Images/koloriert von Marina Amaral)