Kampfläufer
Hauptursache für den sinkenden Bestand des Kuckucks: Es gibt nicht mehr genügend Insekten, mit denen der Kuckuck sich und seinen Nachwuchs ernähren kann. „Unsere intensive, fast industrialisierte Landwirtschaft macht die Hälfte der Flächen Deutschlands zu einer ökologischen Wüste“, erklärt Ornithologe Peter Berthold. „Äcker, die früher voller Wildkräuter waren, sind heute dicht bepackt mit Maispflanzen bis zum letzten Zentimeter.“ Hinzu kommt: Mit Pestiziden werden nicht nur Schädlinge bekämpft – sie treffen alle Insekten. Städte, Straßen, oder Schienen und Lärm seien weitere Faktoren, die Vögel bedrohen.
In seinem Bildband beantwortet der Vogel-Experte die wesentlichen Fragen zum Bestand von rund 150 Vogelarten: Wie viele Paare einer Art brüten derzeit in Deutschland? Wo kann man eine Art am besten beobachten? Berthold verrät dem Leser dabei interessante Details: So ist die Knäkente nach dem knarrenden Ruf der männlichen Ente dieser Art benannt. War sie früher nach der Stockente die häufigste Entenart in Deutschland, ist sie heute vom Aussterben bedroht. Andere Bestände sind stabil, manche wachsen sogar. „Bedingt durch den Klimawandel nisten bei uns zunehmend Bienenfresser und Alpensegler. Aber andere Arten weichen nach Norden aus: Auerhuhn und Bergpieper zum Beispiel“, sagt Berthold.
Lautes Gekreische und liebliches Zwitschern
Fotograf Konrad Wothe zeigt die Vögel, wie sie brüten, füttern, fliegen und baden. Er hat sie in Situationen abgelichtet, die einem als Betrachter mit bloßem Auge oft verwehrt bleiben. Beeindruckend sind vor allem die doppelseitengroßen Aufnahmen des Bildbands: Darauf lässt sich zum Beispiel ein Habicht im Flug von der Schnabelspitze bis zur letzten Feder inspizieren.
Ungefähr die Hälfte der Aufnahmen im Bildband stammen von Wothe, die übrigen Bilder von Fotoagenturen. Wothe und die anderen Fotografen laden zu einem Streifzug durch die vielseitigen Lebensräume der Vögel in Deutschland ein: vom Alpenstrandläufer an den Küsten, Eichelhähern im Wald und der Wachtel auf dem Feld. Einige Fotos sind allerdings nicht in Deutschland entstanden: den Papageientaucher gibt es hierzulande nicht mehr. Vermutlich entstand die Aufnahme in England oder Schottland, so Peter Berthold. Für den Ornithologen steht das nicht im Widerspruch zum Thema des Buchs. Denn abgebildet seien in Deutschland vorkommende Arten, die bei uns brüten oder gebrütet haben. Wer sich an Vogelbildern erfreut und es schätzt, kurz und bündig über Arten informiert zu werden, hat an diesem Bildband Freude.
Als langjähriger Leiter der Vogelwarte Radolfzell des Max-Planck-Instituts für Ornithologie und international bekannter Verhaltensforscher kennt Berthold die Vogelwelt Deutschlands sehr gut. Und ihr Zustand macht ihn wütend. Das bringt er in seinem Bildband deutlich zum Ausdruck. Er schreibt von einem „sturzbachartigen Rückgang“ mancher Arten in der heute „offensichtlich vogelfeindlichen Zeit“. „Es ist schon erschütternd, wie in unsrer einst mit Pioniergeist auf Naturschutz ausgerichteten Kulturnation inzwischen die ehemals herrlichen Vogelbestände regelrecht hinweggewirtschaftet werden.“
Leider wird kaum erwähnt, wie jeder Einzelne zum Schutz der Vögel aktiv werden kann. Dazu verweist Berthold auf weitere Ratgeberliteratur. Im Interview mit bild der wissenschaft verrät er: „Wer einen Garten oder Balkon hat, kann eine Ganzjahresfutterstelle für Vögel aufstellen.“ Außerdem könne man sich in Naturschutzverbänden organisieren oder als Gemeinde ein Biotop gestalten. Wertvoll sind dabei laut Berthold insbesondere Feuchtgebiete wie Weiher oder Tümpel.
Peter Berthold
Unsere einzigartige Vogelwelt
Die Vielfalt der Arten und warum sie in Gefahr ist
Mit Fotografien von Konrad Wothe
Frederking & Thaler, München 2019, € 29,99