Bisher war es für technische Sensoren schwierig, die Weichheit eines Materials zu erspüren. Jetzt haben Forscher ein neues, haptisches Gerät entwickelt, das die menschliche Wahrnehmung von Weichheit nachahmen kann.
Tagtäglich benutzen wir unseren Tastsinn in zahlreichen Situationen, um die Beschaffenheit von Gegenständen zu erspüren. Deutlich schwerer ist es jedoch, diese Tastwahrnehmung technisch nachzubilden. Während die Elastizität von Materialien vergleichsweise einfach bestimmt werden kann, ist das Erfühlen der Weichheit einer Oberfläche eine komplexe Aufgabe. Viele sensorische und kognitive Prozesse spielen dabei eine Rolle. Diese Vorgänge digital nachzubilden, stellt für die Robotik eine große Herausforderung dar.
So konnten bisher entwickelte Modellen der haptischen Wahrnehmung nicht zwischen zwei Hauptkomponenten des menschlichen Ertastens unterscheiden: Den Signalen, die durch die sensorische Rückmeldung der Haut der Fingerkuppe entstehen und den kinästhetischen Signalen, welche die Kraft, die auf das Fingergelenk ausgeübt wird, widerspiegeln. „Wenn Sie mit Ihrer Fingerspitze auf einen Marshmallow drücken, können Sie leicht spüren, dass er weich ist. Wenn Sie aber einen harten Keks auf diesen Marshmallow legen und erneut darauf drücken, können Sie immer noch sagen, dass sich der weiche Marshmallow darunter befindet, selbst wenn Ihre Fingerspitze eine harte Oberfläche berührt. Wir wollten herausfinden, ob wir eine Roboterplattform entwickeln können, die das Gleiche kann”, erklärt Mustafa Mete vom Labor für rekonfigurierbare Robotik (RRL) an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL).
Mit dem SORI-Modell (Softness Rendering Interface) ist es dem Team um Mete nun gelungen, eine solche Plattform zu präsentieren. Durch die Aufspaltung in Haut- und kinästhetischen Signalen ist das SORI-Gerät in der Lage, die Wahrnehmung der Weichheit von Materialien nachzuahmen, die sowohl weiche als auch feste Eigenschaften haben – wie ein Keks auf dem Marshmallow oder ein in Leder gebundenes Buch. „Es sollte dabei nicht als ein Weichheitssensor für Roboter verstanden werden, sondern als eine digitale Übertragung des Gefühls ‘Berührung’, ähnlich wie beim Versenden von Fotos oder Musik”, erläutert Mete.
Die Wahrnehmung von Weichheit ist personenabhängig
Das Bild zeigt ein SORI-Gerät in Anwendung. Es ist mit motorisierten Origami-Gelenken ausgestattet, welche entweder fester oder flexibler eingestellt werden können. Die Gelenke sind mit einer Silikonmembran überzogen. Ein Luftstrom bläst die Membran in unterschiedlichem Maße auf und umhüllt die Fingerspitze, die in der Mitte der Membran platziert ist.
Studien aus den Neurowissenschaften und Psychologie zeigen, dass die Hautsignale davon abhängig sind, wie viel Haut mit der Oberfläche des Materials in Berührung kommt. Bei einem größeren Kontakt mit der Materialoberfläche wird sie als weicher wahrgenommen. Die Wahrnehmung ist daher auch personenabhängig und hängt davon ab, wie groß und fest der menschliche Finger ist. „So mussten wir für unsere Studie zunächst Parameter für die Geometrien einer Fingerkuppe und ihrer Kontaktfläche erstellen, um die Weichheitssignale für diese Fingerkuppe abzuschätzen”, sagt Mete.
Vom Weltall bis in die Mikrochirurgie
Die Tastfähigkeiten des SORI-Geräts könnten in vielen Bereichen nützlich sein, wie beispielsweise in der unbemannten Erforschung des Weltraums oder der Tiefsee. In der Medizin könnte es potenziell den Chirurginnen und Chirurgen bei der robotergestützten Operation als ein wichtiges sensorisches Feedback nützlich sein. Auch in der Landwirtschaft dürfte SORI hilfreich sein: Sein Feingefühl könnte es Robotern erlauben, weiches Obst und Gemüse zu ernten, ohne es zu zerquetschen.