Diese steil aufgestellten Gesteinsschichten in einem Steinbruch bei Salzgitter sind weltweit einzigartig. Denn keine andere Formation zeigt den Übergang der beiden Kreidezeitalter Turon und Coniac vor 89,4 Millionen Jahren so vollständig und gut erhalten.
Die Erdgeschichte hat überall auf unserem Planeten ihre Spuren hinterlassen – in Form von Fossilien, aber auch in der Abfolge unterschiedlicher Ablagerungen und Gesteine. Sie spiegeln das Auf und Ab der Meeresspiegel, das Wachsen großer Riffe oder auch Vulkanausbrüche und Phasen der Erosion wider. Um die verschiedenen Erdzeitalter und ihre Unterabschnitte zuordnen zu können, gibt es globale Referenzpunkte – Orte, an denen diese Schichtwechsel besonders deutlich zutage treten. Sie werden als „Global Stratotype Section and Point“ (GSSP) oder auch „Goldener Nagel“ bezeichnet.
Einer dieser “Goldenen Nägel” liegt ab jetzt in einem ehemaligen Kalksteinbruch bei Salzgitter-Salder in Niedersachsen. Denn dort haben Geologen das gefunden, wonach sie mehr als 20 Jahre lang weltweit gesucht haben: Eine Gesteinsformation, die perfekt den Übergang der Kreidezeitalter Turon und Coniac abbildet. Dieser Übergang vor 89,4 Millionen Jahren markiert den Wechsel von einem tropisch-warmen, durch einen Höchststand der Meeresspiegel gekennzeichneten Abschnitt der Oberkreide zu einer Phase der leichten Abkühlung und sinkender Pegel.
“Die Schichtenfolge in Salzgitter-Salder konnte sich gegenüber anderen Kandidaten zum Beispiel in den USA, in Indien, Madagaskar, Neuseeland und Polen durchsetzen, weil wir hier über 40 Meter eine perfekte Gesteinsschichtenabfolge haben, die ein gut definiertes Abbild der Ereignisse darstellt, die in diesem geologischen Zeitintervall stattgefunden haben”, sagt Ireneusz Walaszczyk von der Universität Warschau. Die Formation zeigt neben der für den Übergang typischen Änderung im Verhältnis der Kohlenstoffisotope 12C und 13C auch das Auftauchen des Coniac-Leitfossils Cremnoceramus deformis erectus.
Wegen der guten Konservierung der Schlüsselmerkmale und der Länge der erhaltenen Schichtabfolge hat die Internationale Kommission für Stratigrafie (ICS) jetzt den Aufschluss im Steinbruch bei Salzgitter offiziell zum „Global Stratotype Section and Point“ (GSSP) erklärt. Einer der globalen Referenzpunkte der Erdgeschichte liegt damit jetzt in Niedersachsen.