Manchmal wünscht man sich die berühmten Nerven aus Stahl. Doch eine Spur edler wollten es die Forschenden der Linköping Universität in Schweden dann doch haben: Stahl war ihnen zu hart und unelastisch, Gold musste her. Herausgekommen sind biegsame Elektroden, die an das Nervensystem eines Menschen angeschlossen werden können. Ein solches Implantat ist hier auf dem Bild zu sehen. Die Goldkabel wurden zur Fertigstellung in Silikon eingegossen, das unter anderem aus der plastischen Chirurgie bekannt ist.
Gold ist in der Medizin ein gern genutztes Material, da es chemisch inaktiv ist und kaum mit anderen Stoffen interagiert. Es gilt daher als biokompatibel. Zusätzlich dazu weist das Edelmetall eine gute Leitfähigkeit auf und ist relativ weich. All diese Eigenschaften sind Voraussetzungen für elastische Elektroden, wie Klas Tybrandt von der Linköping Universität und sein Team erklären.
Die größte Herausforderung bestand nun darin, das Material zu mikroskopisch dünnen Kabeln zu verarbeiten, die die richtige Länge und Dicke haben und möglichst lange halten. Denn die Nerven im menschlichen Körper sind den ganzen Tag dehnenden, scherenden und quetschenden Kräften ausgesetzt, wenn man sich bewegt. Unter solchen Belastungen dürfen die künstlichen Nervenleitungen keinen Schaden nehmen. Erste Versuche, Titandioxid-Vorlagen mit Gold zu überziehen, schlugen fehl, denn die resultierenden Produkte waren zu dick und zu kurz. Die Lösung fand sich dann in einem anderen Edelmetall: Silber.
Nanokabel aus Silber werden wegen ihrer günstigen Eigenschaften in der Elektrotechnik verwendet und wären daher ideal für die Anwendung in elastischen Elektroden. Das Problem dabei ist jedoch chemische Reaktivität: Silber bildet über die Zeit durch Oxidation Silberionen, die ab einer gewissen Konzentration eine toxische Wirkung im Körper entfalten können. Doch als „Blaupause“ für die Goldkabel eignet sich das Metall ausgezeichnet, wie Tybrandt und sein Team feststellten.
Die Wissenschaftler stellten dafür die gewünschten Kabel erst aus Silber her, überzogen sie mit Gold und entfernten danach das überschüssige Silber mittels chemischer Reaktionen wieder. So entstanden Leitungen, die zu 99 Prozent aus Gold bestanden und genau die richtige Länge und Breite hatten.
Die Testergebnisse an Ratten waren vielversprechend: Die Forscher umschlossen freie Nervenenden der Tiere mit den Goldleitungen, die tausendmal dünner sind als ein menschliches Haar, und stellten fest, dass die Implantate einen Nerv genauso effektiv stimulieren konnten wie ein körpereigenes Neuron.
Einsatzgebiete für die Elektroden gibt es nach Angaben der Wissenschaftler viele. Die Palette erstreckt sich über die Linderung von chronischen Schmerzen bis zur Behandlung von Lähmungen und Parkinson. Zwar sind die goldenen Nerven bisher „nur“ drei Jahre lang haltbar, doch daran arbeiten die Forschenden bereits. Und drei Jahre sind schon einmal deutlich länger als die Haltbarkeit aller vergleichbaren, bisher entwickelten Implantate.