Insektizide beeinflussen nicht nur sogenannte Schädlinge. Auch andere Lebewesen, die den Chemikalien ausgesetzt werden, nehmen Schaden. Dies bestätigt eine aktuelle Studie von Forschern des Leibnitz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB), der Universität Duisburg-Essen und der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Die Wissenschaftler untersuchten die Entwicklung von drei Arten wirbelloser Wassertiere von der Larve zum ausgewachsenen Tier unter Einfluss des Insektizids Chlorantraniliprol.
Für ihr Experiment entnahm das Forscherteam Wasser aus dem hessischen Bach Bieber, das sie im Labor in einem geschlossen Wasserkreislauf hielten. Dort setzten sie Larven der Großen Eintagsfliege (Ephemera danica), der Köcherfliege (Lepidostoma basale) und des Gewöhnlichen Flohkrebses (Gammarus pulex) verschiedenen Insektizid-Konzentrationen aus. Mittels RNA-Sequenzierung entschlüsselten sie die genetische Reaktion der Organismen.
Zu ihrer Überraschung fanden die Forscher bei den beiden Insektenarten eine deutlich veränderte Genaktivität. Das Schädlingsbekämpfungsmittel aktivierte und hemmte verschiedene Gene, die die Entwicklung der Fliegen vom Larvenstadium bis zum erwachsenen Tier kontrollieren. Der Einfluss des Insektizids auf die Flohkrebslarven war vergleichsweise gering.
Die ausgewachsenen Exemplare der untersuchten Wasserinsekten bieten eine wichtige Futterquelle für Vögel und andere Tiere. „Veränderungen im Entwicklungszyklus der Larven können somit nicht nur das Leben in den Flüssen, sondern auch Nahrungsnetze in angrenzenden Wiesen, Wäldern und Feldern beeinflussen“, erklärt die Erstautorin der Studie Marie Brasseur vom LIB. „Insofern kann eine Pestizidbelastung ökosystemübergreifende Konsequenzen haben.“ Besonders besorgniserregend sind die Erkenntnisse, da Chlorantraniliprol von Landwirten sehr häufig gegen pflanzenschädigende Schmetterlingslarven eingesetzt wird.