Der Anteil der an Glutenunverträglichkeit leidenden Menschen hat sich in den letzten 25 Jahren beinahe verdoppelt. Den genauen Mechanismen hinter der Krankheit ist nun ein internationales Forscherteam ein Stück nähergekommen.
Menschen, die an Zöliakie leiden, müssen auf vieles verzichten: Weizen, Roggen und Gerste beispielsweise enthalten das für sie schädliche Eiweiß Gluten und können von ihnen nicht verdaut werden. Bisher gilt die Autoimmunerkrankung als unheilbar und nur eingeschränkt zu behandeln. Der einzige Weg, Bauchschmerzen und Erbrechen zu verhindern, besteht aus einer glutenfreien Ernährung, die meist kompliziert umzusetzen und auch nicht gerade nahrhaft ist. Bei einer unerkannten Zöliakie verkümmern die Darmzotten zusehends, was eine Verringerung der Darmoberfläche und damit der Nährstoffaufnahme zur Folge hat.
Doch dafür, dass in Deutschland durchschnittlich jeder einhundertste Mensch von einer Glutenunverträglichkeit betroffen ist, weiß man erstaunlich wenig über den genauen Krankheitsverlauf. Beispielsweise nahm man lange Zeit an, dass die Entzündungsreaktionen dann auftreten, wenn in der Darmwand Immunzellen auf die Gluten-Proteine reagieren. Doch ein internationales Team um Sara Rahmani von der McMaster University in Kanada hat es nun nach sechs Jahren intensiver Forschung geschafft, die Prozesse der Glutenaufnahme im Körper besser zu verstehen.
Um herauszufinden, wie der Darm von Zöliakie-Patienten mit Gluten umgeht, entwickelten sie Organoide aus biologischen Materialien, die als Modell der inneren Darmwand fungieren. Ein solches Organoid ist auch auf dem Bild zu sehen. Diese wenige Millimeter großen Strukturen bestehen aus Zellen eines Gewebetyps und zeigen organähnliche Eigenschaften. Mit ihrer Hilfe konnten die Wissenschaftler unter kontrollierten Laborbedingungen untersuchen, welche Rolle bestimmte Moleküle des Darms bei der Nahrungsaufnahme spielen, was in einem lebenden Organismus nahezu unmöglich ist.
Was die Forschergruppe entdeckte, bestätigt eine schon länger aufgestellte Hypothese: Zellen des Darmepithels, also der inneren Darmschleimhaut, alarmieren bei Zöliakie-Patienten die Immunzellen des Körpers, wenn sie mit Gluten in Kontakt kommen. Also wird das Immunsystem schon aktiviert, wenn das Gluten mit der Darmoberfläche interagiert und nicht erst, wenn es die Darmwand schon fast passiert hat. Offenbar spielen die Rezeptoren des Darmepithels also eine wichtige Rolle in der Entzündungskaskade einer Glutenunverträglichkeit, was gleichzeitig einen Ansatzpunkt für zukünftige Medikamente bietet. Durch die genaue Lokalisation der Immunantwort könnte es in Zukunft leichter sein, gezielt nach Behandlungsmöglichkeiten zu suchen.