Auf diesem kaum mehr als einen Mikrometer dünnen Wellenleiter befindet sich eine mit gerade einmal 0,1 Mikrometern noch dünnere, strukturierte magnetische Schicht. Mit ultrakurzen Laserpulsen lassen sich auf dem Chip sowohl magnetische als auch akustische Wellen anregen, die sich gegenseitig beeinflussen. „Dieses Wechselspiel führt schon auf mikroskopischen Skalen zu komplexen Wellenformen mit einem hohen Informationsgehalt“, sagt Scherbakov. Nach einer kurzen Laufstrecke der Wellen liest dann ein zweiter Laserstrahl das Wellenmuster aus und speist es als Signal in einen herkömmlichen Computer ein.
Vereinfachte Signale
Mit diesem System gelang es dem Team in Dortmund, verschiedene Buchstaben zu erkennen, die der Laser auf eine winzige Fläche gezeichnet hatte. „Doch das war nicht das Ziel unserer Forschung, sondern lediglich als Demonstration gedacht, um das Potenzial der Kopplung von akustischen und magnetischen Wellen aufzuzeigen“, erklärt Scherbakov. Das Interessante an dieser Demonstration bestand darin: Der Wellenleiter hatte aus den unterschiedlichen Buchstaben ein zeitlich veränderliches Signal mit nur drei Parametern gemacht und damit brauchbar vorstrukturiert. Dieses vereinfachte Signal ließ sich durch die Software schnell und problemlos verarbeiten, und das Programm konnte die Buchstaben zuverlässig identifizieren.
Reservoir-Computer sind dank der vorstrukturierten Signale in der Lage, mit wesentlich einfacheren neuronalen Netzen zu arbeiten als herkömmliche Computer.
Spannend an dem akustisch-magnetischen Hybridsystem ist zudem einerseits, dass es mit Verarbeitungsfrequenzen im Gigahertz-Bereich arbeiten kann, womit ein hoher Datendurchsatz möglich ist. Andererseits soll künftig statt der Laserstrahlen eine direkte elektronische Steuerung möglich sein. „Damit ließe sich unser System auf einem herkömmlichen Computerchip integrieren“, sagt der Physiker Scherbakov.
Vielfältige Möglichkeiten
Aber es gibt auch ganz andere Typen von Reservoir-Computern. So arbeiten einige Forschungsgruppen mit sogenannten Skyrmionen. Diese winzigen Magnetwirbel lassen sich energiesparend durch elektrische und magnetische Felder beeinflussen. Eine Forschungsgruppe an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz hat ein solches System entwickelt, mit dem sich grundlegende logische Operationen durchführen lassen. Künftig sollen sich mit solchen Systemen auch alltagsnahe Aufgaben wie das Erkennen von Gesten lösen lassen.
Und ein anderes Team der Universität Leipzig hat einen Reservoir-Computer gebaut, der sogar ganz ohne Strom funktioniert. Bei ihren Experimenten nutzten die Forscher sogenannte aktive kolloidale Partikel. Um sie herzustellen, haben die Physiker synthetische, mikrometerkleine Teilchen aus Plastik mit solchen aus Gold zu Paaren verbunden und in ein Wasserbad gebracht. Die Partikelpaare haben sie dann mit einem Laser manipuliert. Das sorgte dafür, dass die Plastik- und Goldteilchen umeinander kreisten. Diese Rotationsbewegung der Partikelpaare lieferte sozusagen das Ergebnis der Berechnung. Das Besondere an den Versuchen war, dass sich das Rauschen gut kontrollieren ließ. Daraus folgern die Leipziger Forscher: Selbst bei starkem Rauschen könnten sich kleine Partikel-Reservoire für bestimmte Berechnungen einsetzen lassen.
Wie diese Beispiele zeigen, eröffnet das Konzept des Reservoir-Computings eine breite Palette von Möglichkeiten – sowohl bei der Realisierung als auch bei der Anwendung. Allerdings: Um das Dichten romantischer Verse sollten wir uns vielleicht doch lieber weiterhin selbst bemühen.
Dirk Eidemüller ist Physiker. In bild der wissenschaft berichtet er regelmäßig über aktuelle Trends bei der Forschung in dieser Fachdisziplin.