Dabei kam die große Überraschung: Anhand des Wellenmusters konnte der Rechner – selbst bei einem so simplen Aufbau – nach einigen Trainingsrunden die Worte „zero“ und „one“ mit 99-prozentiger Sicherheit unterscheiden. Mit dem akustischen Signal allein erreichte der Computer hingegen lediglich eine Treffsicherheit von 75 Prozent. Offensichtlich hatte die analoge Signalumwandlung dem Computer die Arbeit entscheidend erleichtert.
Rasch expandierendes Forschungsfeld
Nachdem diese Ergebnisse längere Zeit nur als wundersame Bastelei galten, ist das Forschungsgebiet in den letzten Jahren rasch expandiert. „Das Reservoir-Computing bietet die einzigartige Möglichkeit, die Komplexität der analogen Welt für die digitale Datenverarbeitung zu nutzen – und zwar auf energiesparende Weise“, erklärt Scherbakov. Denn analoge und digitale Systeme unterscheiden sich grundlegend voneinander: Die digitale Welt besteht aus lauter Nullen und Einsen, die streng logisch miteinander verschaltet sind. Das führt zu einem deterministischen – eindeutig festgelegten und nachvollziehbaren – Verhalten, das sich exakt programmieren lässt.
Auf analoger Seite hingegen hat man es immer mit einem gewissen Maß an Rauschen zu tun. Kleine Zufälle sorgen für ein nicht perfektes Verhalten, das auch nicht vollständig determiniert ist. Gleichzeitig können analoge Systeme im besten Fall die gesuchten Eigenschaften von Signalen verstärken und unerwünschte Charakteristiken schwächen. Das hilft dabei, Dinge aus der realen Welt in ein Format zu übersetzen, mit dem Computer gut umgehen können.
Aus Mustern werden Wellen
Was das Reservoir-Computing heute beflügelt ist die Tatsache, dass sich die Computertechnik seit den Wassereimer-Versuchen von Fernando und Sojakka enorm weiterentwickelt hat. Statt einer einfachen Spracherkennung gibt es vielfältige Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. Auch die Zahl möglicher Systeme für das Reservoir-Computing hat stark zugenommen. „In der Tat kann man fast jedes beliebige physikalische System für diese Zwecke einsetzen, solange es nur ein hinreichend komplexes Verhalten aufweist“, meint Scherbakov nur halb im Scherz. „Für industrielle Anwendungen ist es natürlich nicht praktikabel, mit Wassereimern zu arbeiten, sondern man nimmt gerne elektronische Komponenten, weil diese viel schneller sind.“
Das Team des Physikers an der TU Dortmund hat ein Reservoir-Modul entwickelt, das in der Fachwelt für viel Aufsehen gesorgt hat. Es besteht aus einem Wellenleiter, in dem sich akustische Wellen – Schallschwingungen innerhalb des Materials – und magnetische Wellen miteinander vermischen lassen. Der Kern des auf einem Mikrochip platzierten Systems besteht aus Galliumarsenid und Aluminiumarsenid und ist ein akustischer Wellenleiter, in dem sich mehrere Schwingungsmoden anregen lassen.