Anzeige
1 Monat GRATIS testen. Danach zum Jubiläumspreis weiterlesen.
Startseite »

Bedrohliche Pilze

bdw+ Gesundheit|Medizin

Bedrohliche Pilze
Pilzinfektionen breiten sich aus. Was sind die Gründe für das Erstarken wehrhafter Pilze? Und wie lassen sie sich bekämpfen?

von SUSANNE DONNER

Viele hatten fest gehofft, nach dem Zwischenfall an der Charité würde es hierzulande wieder still um den Hefepilz Candida auris werden. 2021 war der gefürchtete Erreger von einer Patientin auf einer COVID-19-Intensivstation zu einem Patienten in einem 12 Meter entfernten Zimmer gelangt. Es war die erste dokumentierte Übertragung des neuartigen Pilzes von Mensch zu Mensch in Deutschland. Der angesteckte Mann entwickelte eine schwere Blutvergiftung. Beide Patienten mussten isoliert werden. Auf der Station der Charité herrschte über Wochen große Anspannung.

Kompakt
  • Pilze können Lungen- und Hirnhautentzündungen sowie Blutvergiftungen auslösen.
  • Betroffen sind vorerkrankte Menschen mit geschwächtem Immunsystem.
  • Präventiv verabreichte Mikroben vor einer Operation sollen künftig Abhilfe schaffen.

Pilzinfektionen, wie sie Candida auris hervorruft, sind schwer zu behandeln. Gegen etliche Antibiotika sind die Sporen des Pilzes zumeist resistent. Die Ansteckung kostet im Schnitt ein Drittel bis die Hälfte der Infizierten das Leben. Damit ist er für immungeschwächte Menschen deutlich bedrohlicher als etwa eine Coronainfektion. In Großbritannien, Griechenland sowie Spanien und mehr noch in den USA sorgt Candida auris seit einigen Jahren in Krankenhäusern immer wieder für heftige Ausbrüche. Einem Bericht des Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle in Stockholm zufolge ist die Lage in Spanien inzwischen so, dass Infektionsketten nicht mehr nachvollzogen werden können. „Eine Situation wie in diesen Ländern müssen wir hierzulande unbedingt vermeiden“, sagt Oliver Kurzai, Mykologe an der Universität Würzburg.

Doch es blieb auch in Deutschland nicht bei dem Einzelereignis. 2022 steckten sich Patienten in einer Arztpraxis und in einer Klinik gegenseitig mit Candida auris an, berichtet Kurzai dem Deutschen Ärzteblatt. Unter den insgesamt 44 Infizierten waren überhaupt nur 6 Personen zuvor im Ausland gewesen. „Die Übertragungen in Deutschland nehmen zu. Die Fallzahlen steigen, wenngleich sie noch auf niedrigem Niveau sind“, so der Tenor der Publikation. Die Autoren fordern mehr Aufmerksamkeit für den Keim und eine verbindliche Meldepflicht. Das Robert Koch-Institut reagierte. Seit Herbst 2023 verlangt die Behörde nun bei einer Infektion mit Candida auris eine Meldung über das Gesundheitsamt.

Anzeige

Ohr, Organe und Blut betroffen

Der Hefepilz ist ein neuer Erreger. Scheinbar aus dem Nichts kam er 2009 in die Welt: Zuerst wurde er im entzündeten Ohr einer Japanerin entdeckt. Daher der Name „auris“, was im Lateinischen „Ohr“ bedeutet. Dann tauchte er in kurzem Abstand in drei weiteren Ländern – in Indien, Südafrika und Korea – auf, schildert Kurzai. In Krankenhäusern stößt der Pilz offenbar auf ideale Bedingungen. Er kann dort Instrumente, Böden und andere Oberflächen besiedeln und wird darüber sogar von Mensch zu Mensch übertragen. Das ist absolut ungewöhnlich: Normalerweise gelangen Pilze aus der Umwelt in den Menschen, etwa aus dem Biomüll oder der Erde. Bei geschwächten Menschen befällt Candida auris nicht nur die Ohren, sondern auch verschiedene Organe und das Blut. Die Betroffenen bekommen lebensbedrohliche Lungen- oder Hirnhautentzündungen und Blutvergiftungen.

In den USA schossen die Infektionszahlen in den vergangenen Jahren in die Höhe. Schon 2019 stufte die zuständige US-Behörde „Centers for Disease Control and Prevention“ den Pilz deshalb als besonders bedrohlich ein und verhängte eine Meldepflicht. Seit 2020 haben sich die Fälle trotzdem noch einmal vervierfacht – von 1.310 Fällen im Jahr 2020 auf 5.754 Fälle 2022. Immer wieder entdecken die US-Labore mittlerweile Candida-auris-Stämme, denen alle verfügbaren Kategorien von Antipilzmitteln nichts anhaben können. Und auch in Kanada und Europa werden Infektionen häufiger, allerdings nicht auf dem Niveau wie in den USA. „An mehr Tests liegt der Anstieg leider nicht“, so die ernüchternde Bilanz des Mykologen Kurzai. Die Daten aus Deutschland zeigten eher eine Unterschätzung als eine Überschätzung des Problems.

Selten, aber gefährlich

Lange Zeit waren Pilze die links liegen gelassenen Vertreter der Infektiologie. Sie schienen kaum bedrohlich, vermehren sie sich doch gemächlich – viel langsamer als Bakterien oder Viren. Das macht sie an sich weniger wendig. Sie bevorzugen zudem meist kühlere Temperaturen als die im Menschen vorherrschenden 37 Grad Celsius. Und obwohl wir mit jedem Atemzug auch Sporen etwa aus dem Erdreich einatmen, hält das Immunsystem jedes Gesunden die Erreger verlässlich in Schach. „Ich habe im Studium vor dreißig Jahren noch gelernt, dass Pilzinfektionen nicht besonders gefährlich sind. Gegen Antibiotika würden sie auch nicht resistent“, erzählt Kurzai. „Das ist alles von der Realität überholt.“ Pilzinfektionen breiten sich heutzutage vermehrt aus. Infektiologen müssen sich zwangsläufig intensiver mit den sporenbildenden seltenen Krankheitserregern auseinandersetzen.

Zusatz-Info: Pilze als Krankheitserreger
Pilze bilden neben Tieren und Pflanzen eine eigene Domäne. Die gesamte Erde und auch der Mensch sind von unsichtbaren Pilzen besiedelt. Sie können sich sowohl sexuell als auch ungeschlechtlich über Sporen vermehren und ausbreiten. Viele bestehen aus nur einer Zelle und können damit auch als Mikroorganismen bezeichnet werden. Andere, etwa die Schimmelpilze und erst recht die Speisepilze, bestehen aus mehreren Zellen. Sie bilden Fruchtkörper und Pilzfäden („Myzelien“) aus. Einige Pilze sind Krankheitserreger und verursachen „Mykosen“, pilzbedingte Infektionskrankheiten: Sie entwenden ihren Wirten bestimmte Nährstoffe. Solch parasitische Pilze kommen beim Menschen ebenso wie bei Tieren und Pflanzen vor. Üblicherweise werden sie jedoch nicht von Mensch zu Mensch übertragen. Pathogene Pilze werden – wie auch andere Krankheitserreger, also Viren und Bakterien – als Keime bezeichnet.

Die Weltgesundheitsorganisation stuft vier Pilze in einem Report von 2022 als besonders kritisch ein: Candida auris, dann den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, der bei Immungeschwächten eine Lungenentzündung verursachen kann. Sie listet auch Cryptococcus neoformans auf, der vor allem HIV-Infizierten gefährlich wird, indem er eine Hirnhautentzündung auslöst, und die Hefe Candida albicans, die sich im Darm breitmachen kann.

Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Per|cus|si|o|nist  〈m. 16; Mus.〉 Schlagzeuger [<engl. percussion … mehr

Mer|kur|stab  〈m. 1u; unz.; Myth.〉 Heroldsstab des Merkur (urspr. wohl eine Art Zauberstab)

Ei|der|en|te  〈f. 19; Zool.〉 große, im männl. Geschlecht prächtig schwarz–weiß gefärbte Meerente an der Nordseeküste: Somatoria mollissima; Sy Eider … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige