In unserer kosmischen Nachbarschaft scheint es vor Exoplaneten nur so zu wimmeln, selbst unser nächster Nachbar wird von gleich drei planetaren Himmelskörpern umkreist. Jetzt haben Astronomen einen weiteren nahen Stern mit gleich zwei Supererden entdeckt. Sie umkreisen den hellen Roten Zwerg in nur 33 Lichtjahren Entfernung und sind damit das viertnächste Multiplanetensystem, das durch die Transitmethode beobachtbar ist. Zwar sind beide Exoplaneten mit Temperaturen von gut 400 und fast 300 Grad zu heiß für Leben. Dafür könnte das Planetensystem eines der am besten geeigneten Ziele für nähere Beobachtungen durch das neue James-Webb-Weltraumteleskop sein.
Unser Sonnensystem ist nicht allein im All, sondern von unzähligen weiteren Sternen und Planetensystemen umgeben. Allein im Umkreis von 33 Lichtjahren gibt es mehr als 400 Rote Zwerge und sonnenähnliche Zwerge, von denen etliche gleich mehrere Exoplaneten besitzen. So hat unser nächster Nachbarstern Proxima Centauri drei Planeten, beim nur elf Lichtjahre entfernten Roten Zwerg Wolf 1061 sind es ebenfalls drei, einer davon ist eine Supererde in der habitablen Zone. Der rund 40 Lichtjahre entfernte Stern Trappist-1 wird sogar von sieben Exoplaneten umkreist, von denen mehrere potenziell lebensfreundliche Temperaturen haben könnten. Welche Bedingungen auf solchen nahen Exoplaneten tatsächlich herrschen und wie ihre Atmosphären beschaffen sind – wenn sie denn welche besitzen – könnte demnächst erstmals das James-Webb-Weltraumteleskop klären. Denn nur seine Infrarotoptiken sind leistungsfähig genug, um das spektrale Signal solcher exoplanetarer Atmosphären hochaufgelöst zu entschlüsseln.
Naher Roter Zwerg im Visier
Jetzt hat ein internationales Astronomenteam um Rafael Luque vom Institut für Astrophysik im spanischen Granada einen vielversprechenden Neuzugang unter den nahen Sternen mit Planeten entdeckt. Bei der Auswertung von Daten des NASA-Weltraumtelekops Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) stießen die Wissenschaftler auf Auffälligkeiten in der Lichtkurve des 33 Lichtjahre entfernten hellen Roten Zwergsterns HD 260655. Periodische Abschattungen des Sternenlichts deuteten darauf hin, dass dieser Stern zwei vor ihm vorüberziehende Planeten besitzen könnte. Um auszuschließen, dass dieses regelmäßig wiederkehrende Abdimmen des Sterns durch dessen Rotation oder stellare Aktivität verursacht wurde, suchten Luque in den Archiven mehrerer erdbasierter Teleskope nach Beobachtungsdaten dieses Roten Zwergs.
Tatsächlich hatten mehrerer Teleskope den Stern in den vergangenen rund 20 Jahren ins Visier genommen. Eine Reanalyse einiger dieser Daten bestätigte, dass der Rote Zwerg eine Rotationsperiode von 30 Tagen und eine nur geringe Aktivität besitzt. Das zeitliche Muster beider Parameter passte damit nicht zur Periodizität der mit TESS beobachteten Abschattungen, die im Abstand von 2,7 und 5,7 Tagen auftreten. “Wir finden keine Signale, die den Transitperioden dieser beiden potenziellen Planeten entsprechen”, schreiben die Astronomen. Um mehr über diese beiden Himmelskörper herauszufinden, nutzten die Forscher Daten weiterer Teleskope, um über die Radialgeschwindigkeit Rückschlüsse auf die Masse und Beschaffenheit der beiden potenziellen Exoplaneten ziehen zu können. Bei dieser Methode detektieren Astronomen mithilfe winziger Verschiebungen im Lichtspektrum das leichte „Taumeln“ eines Sterns, das durch die Gravitationskräfte der ihn umkreisenden Planeten verursacht wird.
Zwei Supererden mit unterschiedlicher Dichte
Die Analysen bestätigten, dass der nahe Rote Zwerg HD 260655 zwei Planeten besitzen muss. Der innere von beiden, HD 260655 b, umkreist seinen Stern sehr eng in nur 2,7 Tagen, hat die gut zweifache Masse der Erde und ist 1,2-mal so groß wie diese. Daraus schließen die Astronomen, dass es sich um eine felsige Supererde handeln könnte. “260655 b hat eine Dichte, die perfekt mit der der Erde übereinstimmt”, schreiben Luque und sein Team. Mit einer Temperatur von geschätzt 435 Grad wäre dieser Exoplanet allerdings im Hinblick auf die Bedingungen auf seiner Oberfläche nicht sehr erdähnlich und zu heiß für Leben. Der zweite Exoplanet, HD 260655 c, kreist weiter außen mit einer Umlaufzeit von 5,7 Tagen und ist rund 1,5-mal so groß wie die Erde. Mit der dreifachen Erdmasse ist dieser Planet von der Größe her zwar eine Supererde, aber deutlich weniger dicht als ein klassischer terrestrischer Planet mit einem Eisenkern und Gesteinsmantel.
Nach Angaben der Forscher gibt es hierfür zwei mögliche Erklärungen: HD 260655 c könnte ein Gesteinsplanet ohne Eisenkern sein, was allerdings nicht gut zu gängigen Planetenbildungsmodellen passt. Oder aber der Exoplanet erscheint im Verhältnis zu seiner Masse größer, weil er eine mit Wasserdampf gefüllte Atmosphäre besitzt. “Würde man für HD 260655 c eine erdähnliche Zusammensetzung annehmen, dann könnte ein Wasseranteil von nur ein Prozent die Unterschiede in der Dichte erklären”, so das Team. Woher dieses Wasser kommt, ist angesichts der großen Nähe selbst dieses äußeren Planeten zu seinem Stern noch offen. Theoretisch könnte er weiter außen in der Akkretionsscheibe seines Sterns entstanden und dann erst nachträglich nach innen gewandert sein. Denkbar wäre aber auch, dass er das Wasser in Form von Eis durch Einschläge kometenähnlicher Brocken in der Frühzeit dieses Systems erhielt.
Ob die Supererde HD 260655 c eine Atmosphäre besitzt und wie es zur Bildung dieser beiden einerseits ähnlichen, andererseits unterschiedlichen beiden Welten um den Roten Zwerg HD 260655 kam, könnte demnächst schon das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA klären helfen. Dieses wird Mitte Juli die erste wissenschaftliche Aufnahme zur Erde senden und damit seinen wissenschaftlichen Betrieb aufnehmen. Neben der Beobachtung ferner, früher Galaxien ist eine der Hauptaufgaben dieses Teleskops, die Atmosphäre von Exoplaneten mithilfe seiner hochauflösenden Infrarotspektroskope ins Visier zu nehmen. “Die von uns neu entdeckten Planeten sind aufgrund der relativ hohen scheinbaren Helligkeit des Wirtssterns hervorragende Ziele für weitere atmosphärische Studien“, erklärt Co-Autor Karan Molaverdikhani von der Universitätssternwarte der Ludwig-Maximilians-Universität München. Diese Untersuchungen könnten es den Astronomen ermöglichen, nähere Informationen über die Zusammensetzung und Struktur der Atmosphären beider Planeten um HD 260655 zu gewinnen und darüber auch wertvolle Einblicke in die Faktoren, die die Entwicklung erdähnlicher Planeten allgemein prägen.
Quelle: Rafael Luque (Instituto de Astrofísica de Andalucía, Granada) et al., Astronomy & Astrophysics, accepted; doi: 10.48550/arXiv.2204.10261