Blick ins ferne All im Sternbild Herkules: Abgesehen von den Vordergrundsternen, die in diesem Infrarotfoto des Webb-Teleskops an ihren sechszackigen Beugungsspitzen erkenntlich sind, beträgt die Entfernung der Galaxien viele Milliarden Lichtjahre. Selbst die ausgeprägte Spiralgalaxie namens LEDA 2046648 unten im Bild, die der Milchstraße verblüffend ähnelt und mit 260.000 Lichtjahren mehr als doppelt so groß ist, erblicken wir nun, wie sie vor fast 1,2 Milliarden Jahren aussah (LEDA steht für Lyon-Meudon Extragalactic Database, einen 1983 am Observatorium Lyon erstellten Galaxien-Katalog). Damals zappelten die ersten mehrzelligen Organismen in den irdischen Meeren und begannen die Leiter der Evolution zu erklimmen, die schließlich zu Farnen und Fischen führte, zu Dinosauriern, Säbelzahntigern, Menschen und was immer noch kommen könnte.
©ESA/Webb, NASA, CSA, A. Martel
In der Kältekammer: Das James Webb Telescope besteht aus zahlreichen Komponenten. Im Foto ist das eigentliche Teleskop abgebildet, wie es mit seinen wissenschaftlichen Instrumenten am 20. Juni 2017 zum Test in einem kryogenen Vakuum vorbereitet wurde. In der 27,4 Meter hohen Kammer A des Johnson Space Center der NASA in Houston, Texas, wurde es Temperaturen von bis zu minus 236 Grad Celsius ausgesetzt. Unter solchen simulierten Weltraumbedingungen mussten sich dort bereits Geräte der Apollo-Missionen bewähren.
©NASA/Chris Gunn
Extreme Empfindlichkeit: Die Leistungsfähigkeit der Nahinfrarot-Kamera des Webb-Weltraumteleskops ist konkurrenzlos. Deutlich wird das im Vergleich mit der berühmten HUDF-Aufnahme (Hubble Ultra Deep Field), die die Wide Field Camera 3 des Hubble-Weltraumteleskops 2003/4 machte. Die HUDF-Region im Sternbild Fornax ist winzig: gerade einmal ein 32-Millionstel des gesamten Himmels oder etwa ein Zehntel der Fläche, die der Vollmond am Himmel bedeckt. Während Hubble eine aufsummierte Belichtungszeit von 11,3 Tagen im sichtbaren Licht benötigte (links), brauchte Webb lediglich 20 Stunden (am 11. Oktober 2022) bei 1,8 bis 4,8 Mikrometer Wellenlänge (Foto rechts) – und detektierte noch viele zuvor unsichtbare, rote Galaxien. Webb vermag Objekte abzubilden, die bis zu 100-mal schwächer sind als die Nachweisgrenze des Hubble-Teleskops. Daher konnte ein Team um Christina Williams vom National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory in Tucson, Arizona, bereits 5.500 Galaxien auf dem Webb-Foto identifizieren, die sich auf HUDF nicht erkennen lassen. Sie sind lediglich die Spitze des kosmischen Galaxienbergs, denn in dieser Himmelsrichtung muss es ein Vielfaches an Sterneninseln geben – die allerdings zu lichtschwach sind sowohl für Hubble als auch für Webb.
©links: NASA, ESA, CSA, STScI, Christina Williams/NSF/NOIRLab, Sandro Tacchella/Cambridge, Michael Maseda/UW-Madison, Joseph DePasquale/STSc
Tiefer Blick ins Sternbild Bärenhüter: Das CEERS-Feld besteht aus zahlreichen NIRCam-Aufnahmen des Webb-Teleskops mit sieben photometrischen Filtern. Die Himmelsregion wurde bereits vom Hubble-Weltraumteleskop zwischen Juni 2004 und März 2005 mit mehr als 500 Einzelaufnahmen intensiv ins Visier genommen. Sie wurde zu Ehren des Physikers Edward Groth von der Princeton University als Extended Groth Strip bezeichnet und ist nur 70 mal 10 Bogenminuten groß – was etwa der Himmelsfläche entspricht, die von einem in Armlänge ausgestreckten Finger bedeckt wird. Auf den Webb-Aufnahmen sind rund 100.000 Galaxien sichtbar. Eine der fernsten überhaupt ist Maisies Galaxie (rechts unten stark vergrößert).
©NASA, ESA, CSA, STScI, TACC, Steve Finkelstein, Micaela Bagley, Zolt Levay