Die Erde und andere Planeten des Sonnensystems verdanken einen Teil ihrer Wärme dem Zerfall radioaktiver Elemente in ihrem Inneren. Jetzt liefert ein Blick ins All neue Hinweise darauf, wie diese teils kurzlebigen Nuklide einst in unseren Planeten gelangten. Die Teleskopbeobachtungen enthüllen, dass es in der gut 420 Lichtjahre entfernten Sternenwiege Rho-Ophiuchi einen Strom von radioaktivem Aluminium gibt, der von einem Haufen massereicher Sterne bis zu den Sternentstehungsgebieten führt. Einem ergänzenden Modell zufolge stammt dieses radioaktive Material höchstwahrscheinlich aus Supernovae dieser kurzlebigen Sterne. Das bestätigt Theorien, nach denen auch das Sonnensystem einen Großteil seiner radioaktiven schweren Elemente aus solchen nahen Sternexplosionen bekam.
Woher erhielten die Erde und ihre Nachbarplaneten ihre schweren Elemente und insbesondere die Radionuklide, die bis heute ihr Inneres aufheizen? Von der Sonne können sie nicht stammen, den diese hat damals erst mit ihrer Kernfusion begonnen, zudem ist ihre Masse nicht groß genug, um Atome schwerer als Kohlenstoff zu produzieren. Schon länger gibt es daher die Theorie, dass junge Planetensysteme ihre Dosis an schweren Elementen von nahegelegenen Supernovaexplosionen mitbekommen haben. Denn sehr massereiche Sterne können bei ihren finalen Explosionen verschiedene Metalle und kurzlebige radioaktive Nuklide freisetzen. Wenn diese Radionuklide in eine nahe Sternenwiege geweht werden, “kontaminieren” diese Elemente die Urwolken der entstehenden Planetensysteme und reichern sich dann im Inneren der neuen Planeten an – so die Theorie. Ein eindeutiger Beleg für dieses Szenario fehlte allerdings bisher.
Ein Strom von radioaktivem Aluminium
Jetzt liefert die nur 427 Lichtjahre entfernte Sternenwiege Rho-Ophiuchi Indizien dafür, dass die Supernova-Theorie stimmen könnte. Frühere Beobachtungen zufolge enthält diese von dunklem Staub verhüllte Sternentstehungsregion gut 400 Infrarotsignaturen, die von protostellaren und protoplantaren Scheiben sowie jungen Sternen ausgehen. In unmittelbarer Nähe dieser Sternenwiege liegt die Sternengruppe Upper Scorpius, eine Ansammlung sehr massereicher und kurzlebiger Sterne, zwischen denen auch Spuren vergangener Supernovae sichtbar sind. Astronomen um John Forbes vom Flatiron Institute in New York haben nun die Sternenwiege und den Cluster Upper Scorpius auf mögliche Verbindungen beispielsweise in Form von Gasströmen untersucht. Dafür nutzten sie Teleskope, die Wellenlängenbereiche von Millimeter-Wellen bis zur Gammastrahlung abdeckten.
Tatsächlich enthüllten die Beobachtungen, dass eine Wolke von radioaktivem Aluminium-26 von Upper Scorpius ausgeht. Diese bewegt sich auf uns und damit auch auf die Sternenwiege in Rho-Ophiuchi zu, wie das Team ermittelte. An der Form der Gaswolken in der Sternenwiege war zudem erkennbar, dass sie von einer Strömung aus Richtung des Haufens massereicher Sterne umweht werden. “Unsere Multiwellenlängen-Beobachtungen demonstrieren, dass Ophiuchus mit seinen vielen prästellaren Kernen förmlich mit Aluminium-26 von der benachbarten Upper-Scorpius-Assoziation überschwemmt wird”, berichten die Forscher. Weil auf Basis der Beobachtungen allein aber nicht klar wurde, ob dieser Einstrom von radioaktivem Aluminium von Supernovae oder aber stark strahlenden Wolf-Rayet-Sternen in Upper Scorpius ausgeht, überprüften die Astronomen dies mit einem ergänzenden Modell. Wolf-Rayet-Sterne sind die Überreste sehr massereicher Sterne, die durch ihre starken Sternenwinde große Mengen an Material an ihre Umgebung abgeben.
Ursprung primär in Supernovae
Basierend auf den Beobachtungsdaten und ihrem Modell gelang es den Forschern zu berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Aluminium-26-Emission von Supernovae oder aber Wolf-Rayet-Sternen stammt. Demnach hat ein Szenario, bei dem mindestens 90 Prozent des radioaktiven Aluminiums aus Supernovae stammt, eine Wahrscheinlichkeit von im Mittel 59 Prozent. “Ein von Wolf-Rayet-Sternen dominiertes Szenario ereignet sich dagegen nur in 27 Prozent der Modelldurchgänge”, berichten Forbes und seine Kollegen. “Supernovae sind demnach die wahrscheinlicheren Urheber der radioaktiven Elemente, auch wenn ein Ursprung in Wolf-Rayet-Sternen nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann.” Nach Ansicht der Astronomen passen diese Ergebnisse sehr gut zu den Theorien über den Ursprung der Radionuklide in unserem eigenen Sonnensystem. “Der Anreicherungsprozess, den wir in Ophiuchus sehen, passt gut zu dem, was bei der Bildung des Sonnensystems vor fünf Milliarden Jahren geschah”, sagt Forbes.
Das Modell zeigt aber auch, dass die Menge an kurzlebigen Radionukliden, die die neu entstehenden Sternensysteme aufnehmen, stark variieren kann. “Viele der neuen Planetensysteme werden mit ähnlich viel Aluminium-26 geboren wie unser Sonnensystem, aber die Variationsbreite ist riesig und erstreckt sich über mehrere Größenordnungen”, erklärt Forbes. Das sei eine wichtige Information, weil das Aluminium-26 eine wichtige Hitzequelle für junge Planeten sei und daher auch ihr weiteres Schicksal signifikant beeinflussen könne.
Quelle: John Forbes (Flatiron Institute, New York) et al., Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-021-01442-9