Der jüngste Sonnensturm hat eindrucksvoll demonstriert, wie aktiv unser Stern sein kann. Doch wo und wie genau seine Magnetfelder und Aktivitätszyklen entstehen, ist bisher unklar – meist wird ein Ursprung am Grund der solaren Konvektionszone tief im Sonneninneren angenommen. Doch jetzt hat ein Forschungsteam Indizien dafür gefunden, dass der solare Magnetdynamo auch sehr viel näher an der Sonnenoberfläche sitzen könnte. Ihren Daten zufolge sorgen Plasmaströmungen in den oberen fünf bis zehn Prozent der Sonne für die Magnetkräfte und Turbulenzen, die die Bildung der komplexen Magnetfelder und auch den Zyklus der Sonnenflecken erklären könnten.
Die Aktivität unserer Sonne folgt einem regelmäßigen Zyklus: Etwa alle elf Jahre erreichen Sonnenflecken und solare Ausbrüche ein Maximum. Parallel dazu ändern sich die Plasmaströme im Sonneninneren und das Magnetfeld polt sich um. Doch wie dieser regelmäßige Takt und die ihn begleitenden Phänomene zustande kommen, ist erst in Teilen geklärt. Ursache dieser Unklarheiten ist vor allem die Komplexität der solaren Strömungen und Magnetfelder. So ähnelt das solare Magnetfeld zwar dem Dipolfeld der Erde, seine Feldlinien sind aber verzerrt: Einige laufen in polarer Richtung, andere sind seitlich abgelenkt und laufen fast parallel zum Sonnenäquator. Die Sonnenflecken gehen auf lokale, eher von diesem torsoidalen Feld geprägte Magnetfeldstörungen zurück, während das poloidale Magnetfeld den Veränderungen im Sonnenfleckenzyklus fast ein Vierteljahr hinterherhinkt.
Sonnendynamo gesucht
Doch wo der Dynamo für die verschiedenen solaren Magnetfeldphänomene sitzt und wie genau er funktioniert, ist unklar. “Um einen solchen Dynamo in Gang zu bringen, benötigt man gängiger Annahme nach eine Region, in der viel Plasma an anderem Plasma vorbeiströmt”, sagt Co-Autor Keaton Burns vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). “Diese Scherbewegung wandelt kinetische Energie in magnetische Energie um.” Doch das Sonneninnere ist von einer Vielzahl von Plasmaströmungen erfüllt, von den auf- und absteigenden Plasmablasen der Konvektionsströmung über tiefe, vom Pol bis zum Äquator reichende Umwälzströmungen bis zu den durch die differenzielle Rotation der Sonne ausgelösten Plasmaströmungen in verschiedenen Tiefen. Welche dieser Strömungen den Motor des solaren Magnetdynamos bildet, ist strittig. “Wir wissen, dass der solare Dynamo wie eine große Uhr mit vielen komplexen, interagierenden Teilen funktioniert”, erklärt Erstautor Geoffrey Vasil von der University of Edinburgh. “Aber wir kennen noch nicht alle Teile und wissen nicht, wie sie zusammengehören.”
Bisherige Modelle verorten den Motor des solaren Magnetdynamos jedoch meist am Grund der Konvektionszone, in rund 210.000 Kilometer Tiefe. “Aber diese globalen Konvektionsmodelle passen oft nicht zu wichtigen Sonnenbeobachtungen und erfordern Bedingungen, die nicht der solaren Realität entsprechen”, erklären Vasil und seine Kollegen. Auch in der Theorie könne dieses Modell viele Phänomene nicht schlüssig erklären. Deshalb haben Vasil und sein Team sich einen anderen Bereich der Sonne näher angeschaut: die Strömungen in der oberflächennahen Zone, die fünf bis zehn Prozent der Sonne ausmacht. Informationen über die differenziellen Strömungen in diesem oberen Bereich liefern subtile Vibrationen der Sonnenoberfläche, die in der Helioseismologie mittels Sonnenobservatorien erfasst werden. “Wir haben uns gefragt: Gibt es dort Störungen oder winzige Veränderungen im Plasmafluss, die sich so weit verstärken können, dass sie das solare Magnetfeld erzeugen?”, sagt Burns. Dies untersuchte das Team mithilfe astrophysikalischer Analyse-Algorithmen und Simulationen.
Verstärkende Turbulenzen nahe der Oberfläche
Tatsächlich ergaben die Auswertungen, dass auch die physikalischen Prozesse nahe der Sonnenoberfläche schon ausreichen, um die auf der Sonne beobachteten Magnetphänomene zu verursachen. Konkret führen Vasil und sein Team dies auf einen auch im rasenden Plasma um Schwarze Löcher vorkommenden Mechanismus zurück, die sogenannte magnetrotationale Instabilität. Bei dieser erzeugen unterschiedlich schnell strömende Plasmabereiche einen Sog nach innen, verursachen aber gleichzeitig Turbulenzen, die Magnetfelder verstärken können. Genau dies könnte nach Angaben der Forscher auch in der oberen Schicht der Sonne geschehen: Die Schwerkräfte der verschieden schnell aneinander vorbeiströmenden Plasmamassen beeinflussen und verstärken das bipolare Magnetfeld der Sonne und erzeugen die toroidalen Magnetfelder samt ihren Oszillationen. Dies wiederum prägt das Auftreten der Sonnenflecken. “Wir zeigen damit, dass die isolierten Turbulenzen nahe der Sonnenoberfläche mit der Zeit heranwachsen und dann die Magnetstrukturen bilden können, die wir sehen”, sagt Burns.
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten die von ihnen identifizierten oberflächennahen Prozesse damit besser erklären, wie die komplexen solaren Magnetfelder und die mit ihnen zusammenhängenden Phänomene zustande kommen als die bisherigen Modelle. “Den Ursprung des solaren Magnetfelds zu verstehen, ist seit der Zeit von Galileo Galilei eine offene Frage”, sagt Co-Autor Daniel Lecoanet von der Northwestern University in Illinois. “Unsere Arbeit schlägt nun eine neue Hypothese für die Entstehung des solaren Magnetfelds vor, die besser mit den Sonnenbeobachtungen übereinstimmt.” Noch ist das Modell des Teams sehr vereinfacht und kann nur die grundlegenden Vorgänge abbilden. Dennoch sehen sie darin einen ersten Schritt, um einige der noch immer unzureichend erklärten Vorgänge auf unserem Heimatstern zu entschlüsseln.
Quelle: Geoffrey Vasil (University of Edinburgh, UK) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07315-1