Vor allem die Karibik und die Küsten der USA werden immer wieder von verheerenden Hurrikans heimgesucht. Die Wirbelstürme zerstören mit ihren Winden von Orkanstärke Häuser, Straßen und andere Infrastruktur, die begleitenden Sturmfluten und sintflutartigen Regenfälle überschwemmen ganze Stadtgebiete, wie beispielsweise beim Hurrikan Katrina 2005 in New Orleans und Hurrikan Sandy 2012 in New York. Um sich vor künftigen Wirbelstürmen zu schützen, haben einige Orte entlang der Küste von New Jersey bereits mit dem Bau von stählernen Schutzdämmen begonnen, auch für New York ist ein Seedamm im Gespräch. Mark Jacobson von der Stanford University und seine Kollegen schlagen eine in ihren Augen weitaus bessere Alternative vor: Offshore-Windparks als Hurrikan-Dämpfer.
Die Idee kam den Forschern, als sie mit Hilfe von Modellen überprüften, wie stark Windanlagen auf See die lokalen Windverhältnisse beeinflussen. Wie sich zeigte, können die von den Windrädern erzeugten Turbulenzen Winde tatsächlich messbar abschwächen. Um zu testen, ob ein entsprechend großer Windpark auch einen Hurrikan ausbremsen könnte, führten die Forscher weitere Simulationen durch, in denen sie virtuelle Nachbildungen der Hurrikans Sandy, Katrina und Isaac auf die Küsten der USA zulaufen ließen. Dabei stellten sie ihnen einmal ausgedehnte Windparks von mehreren tausend Turbinen in den Weg, und einmal nichts.
Weniger Wind, niedrigere Flut
Das Ergebnis: “Wenn Windturbinen präsent sind, verlangsamen sie die schnellen Winde am äußeren Rand des Hurrikans”, erklärt Jacobson. Dieser Bremseffekt führt zu einer Rückkopplung, die auch den Rest des Sturms beeinflusst: Er senkt die Wellenhöhen im Meer und hemmt gleichzeitig den Transport warmer Luft ins Innere des Wirbelsturms. Dadurch mildert sich dort das Sturmtief ab und nach und nach sinken die Windgeschwindigkeiten des gesamten Hurrikans. Im Falle von Katrina hätte eine Offshore-Anlage von mehreren zehntausend Windturbinen vor New Orleans die Windgeschwindigkeiten sogar um rund 140 Kilometer pro Stunde abgesenkt, die Sturmflut wäre bis zu 79 Prozent schwächer ausgefallen. Bei Hurrikan Sandy hätte ein Windpark den Wind um immerhin noch 130 Kilometer pro Stunde verlangsamt und die Wellenhöhen um 34 Prozent, so die Forscher. “Die kleinen Turbinen können das Monster tatsächlich in den Griff bekommen”, sagt Koautor Cristina Archer von der University of Delaware.
Allerdings sind Windparks mit zehntausenden von Windrädern bisher reine Utopie, was auch Jacobson einräumt. Denn noch gebe es vor allem in den USA sogar Widerstand gegen Parks mit nur ein paar hundert Offshore-Turbinen. Aber wie die Simulationen ergaben, könnten selbst kleinere Anlagen schon dazu beitragen, die Wucht eines Hurrikans zumindest etwas abzuschwächen. Allerdings wären kleinere Anlagen auch anfälliger gegenüber Sturmschäden. “Wir stellen fest, dass Windräder in großen Anlagen sich selbst und die Küstenorte auch vor den stärksten Winden schützen können”, erklärt Jacobson. Der Bremseffekt reiche dann aus, um den Sturm soweit zu dämpfen, dass die Anlagen den Winden standhalten und nicht beschädigt werden.
Nach Ansicht der Forscher wäre die Errichtung von größeren Offshore-Windparks trotz der hohen Baukosten gleich doppelt lohnend: Sie produzieren zum einen langfristig genügend Strom, um ihre Kosten wett zu machen. Zum anderen aber verringern die Anlagen die Schäden, die Hurrikans hinterlassen und sparen damit Milliarden US-Dollar. Sie hätten damit auch einen Vorteil gegenüber Schutzmauern, die zwar vor der Sturmflut schützen, nicht aber vor den windbedingten Schäden. “Diese Faktoren, jeder für sich, senken die Kosten der Windanlagen für die Gesellschaft”, so Jacobson. “Dies sollte eigentlich genügen, um ihre Entwicklung zu motivieren.” Ob die Argumente der Forscher tatsächlich überzeugend genug sind, um gegen die bestehenden Widerstände anzukommen, bleibt allerdings abzuwarten.