In unserer Milchstraße gibt es wahrscheinlich mehr Doppelsternsysteme als Einzelsterne. Doch wie viele von ihnen besitzen Planeten? Das hat ein deutscher Astrophysiker mithilfe von Daten des europäischen Weltraumteleskops Gaia näher untersucht. Er prüfte dafür, wie viele bekannte Exoplaneten im Umkreis von rund 1600 Lichtjahren zwei oder sogar mehr Sonnen besitzen. Das Ergebnis: Nur rund 15 Prozent der bekannten Planetensysteme liegen in einem Mehrfach-Sternensystem. Das bestätigt frühere Annahmen, nach denen die Schwerkrafteinflüsse zusätzlicher Sterne die Entwicklung von protoplanetaren Scheiben und Planeten stören. Welten mit zwei oder drei Sonnen kommen demnach zwar vor, sind aber wohl eher die Ausnahme als die Regel.
Bisher haben Astronomen mehr als 4000 extrasolare Planeten entdeckt. Unter diesen sind auch Planeten, deren Sonne Teil eines Mehrfachsternsystems ist. Auf diesen Welten stehen damit zwei oder sogar drei Sonnen am Himmel. Doch sind solche Planeten eher eine seltene Ausnahme oder doch durchaus häufig? Über diese Frage diskutieren Astronomen zurzeit noch. Denn einerseits hat man bisher schon einige solcher Planetensysteme entdeckt und Doppelsterne sind in der Milchstraße sehr häufig. Andererseits aber gilt das Umfeld von Doppel- und Dreifachsternen als eher turbulent und instabil. Die komplexen Schwerkraftwechselwirkungen stören die Entwicklung von Planeten in der rotierenden Staub- und Gasscheibe um die Sterne, so die gängige Annahme.
15 Prozent Mehrfachsysteme
Um die Frage nach der Häufigkeit von Welten mit mehreren Sonne zu klären, hat der Astrophysiker Markus Mugrauer von der Universität Jena eine Art Bestandsaufnahme durchgeführt. Auf Basis von Daten des europäischen Weltraumteleskop Gaia hat er untersucht, wie viele der rund 1300 bekannten Planetensysteme im Umkreis von 1600 Lichtjahren Teil eines Mehrfachsystems sind. Dafür analysierte der Forscher die Bewegungsdaten, die Gaia für die Muttersterne dieser Systeme aufgezeichnet hat. Dies ermöglichte es ihm, zu unterscheiden, ob diese Sterne einzeln stehen oder ob sie mit einem anderen Stern gravitativ verbunden sind – also ob diese Sterne stellare Partner haben. Auch die Abstände und Massen der Sterne konnte Mugrauer auf diese Weise bestimmen.
Die Auswertung ergab: Von den 1367 Muttersternen mit mindestens einem Planeten sind 204 Teil eines Mehrfachsystems – ein Großteil davon war zuvor noch nicht als solches bekannt. “Das entspricht einer Rate von rund 15 Prozent”, sagt der Forscher. Diese Häufigkeit ist nur etwa halb so groß, wie sie bei sonnenähnlichen Sternen im Allgemeinen erwartet wird. Welten mit mehr als einer Sonne kommen demnach zwar durchaus vor, sind aber wahrscheinlich eher die Ausnahme als die Regel. Die Gaia-Daten zeigen zudem, dass die meisten dieser Mehrfachsysteme nur aus zwei Sternen bestehen. Der Astrophysiker identifizierte aber auch 27 Dreifachstern- und sogar ein Vierfachsternsystem. In der Regel umkreist der Planet dabei einen dieser Sterne, oft ist dies der massereichste im System, wie Mugrauer erklärt.
Ganz unterschiedliche Merkmale
Die nächste Frage, die Mugrauer sich stellte, war, ob es bestimmte Gemeinsamkeiten zwischen den Mehrfachsystemen mit Planeten gibt. So wäre beispielsweise denkbar, dass Exoplaneten sich nur dann bilden, wenn die Partnersterne eher weit voneinander entfernt kreisen oder bestimmte Massenverhältnisse aufweisen. Doch den Gaia-Daten zufolge sind die Begleitsterne hinsichtlich ihrer Orbits, Massen, Temperaturen und Entwicklungsstadien ziemlich unterschiedlich. Die Spanne der beteiligten Sterne reicht dabei von Sternen mit eineinhalb Sonnenmassen bis zu Roten Zwergen und sogar einigen Weißen Zwergen. Zudem gibt es sowohl enge Systeme mit Abständen von nur 20 Astronomischen Einheiten (AE) – etwa der Distanz zwischen Sonne und Uranus – als auch Systeme, deren Sterne über 9000 AE voneinander entfernt liegen. Allerdings scheinen Doppelsternsysteme mit eher größeren Abständen häufiger Planeten zu besitzen als sehr nahe, wie der Astrophysiker feststellte.
“Das könnte darauf hinweisen, dass der Einfluss mehrerer Sterne in einem Sternsystem den Entstehungsprozess von Planeten sowie die weitere Entwicklung ihrer Umlaufbahnen stört“, so Mugrauer. Dies würde demnach die gängige Theorie zu solchen Störeinflüssen in Mehrfachsystem bestätigen. Doch noch ist die Erforschung solcher Welten mit zwei oder drei Sonnen lange nicht abgeschlossen, wie Mugrauer betont: “Unsere Studie ist ein laufendes Projekt, weil wir in der nahen Zukunft noch mehr und mehr Exoplaneten-Muttersterne entdecken werden”, sagt der Forscher. Weitere wertvolle Daten könnten neben dem Gaia-Satelliten auch Weltraumteleskope liefern, die auf die Suche nach Exoplaneten spezialisiert sind, darunter der Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS).
Quelle: Markus Mugrauer (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, doi: 10.1093/mnras/stz2673