Astrobiologisches Potenzial im Blick: Wie lebensfreundlich könnte der Ozean sein, der unter dem Eispanzer des Jupitermondes Europa vermutet wird? Diese Frage beleuchtet nun eine neue Einschätzung der Sauerstoffproduktion auf dem Himmelskörper, die auf Daten der NASA-Raumsonde Juno basiert. Das potenzielle Lebenselixier wird demnach zwar im Eis gebildet und könnte durch Verlagerungsprozesse schließlich in den darunterliegenden Ozean gelangen. Allerdings erzeugt die chemische Aufspaltung des Wassereises an der Oberfläche deutlich geringere Sauerstoffmengen als bisher vermutet, berichten die Forschenden.
Eine frostige Kugel im Orbit um Jupiter: Auf den ersten Blick wirkt der Mond Europa nicht gerade lebensfreundlich. Doch der unscheinbare Himmelskörper hat’s in sich, wie aus Studien der letzten Jahre deutlich hervorgeht. Den Indizien zufolge verbirgt sich unter dem dicken Eispanzer des Mondes ein Ozean aus flüssigem Salzwasser, der durch die Gezeitenkräfte des Jupiters erwärmt wird. Damit rückte Europa in den Fokus der Astrobiologie: Vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichte des irdischen Lebens erscheint es möglich, dass auch im subglazialen Wasser dieser kleinen Welt Organismen entstanden sind. Neben dem Wasser wurde auf der Erde allerdings auch ein zweites Element zum Lebenselixier: Sauerstoff. Es stellt sich damit die Frage, wie viel O₂ dem Stoffwechsel von potenziellen Organismen im Ozean Europas zur Verfügung stehen könnte.
Potenzielle Lebensgrundlage im Blick
Als eine Quelle kommt dabei Sauerstoff infrage, der durch energiereiche Ionen vom Jupiter entsteht: Diese kosmische Strahlung spaltet die Wassermoleküle des Eises in Sauerstoff und Wasserstoff auf. Der leichtere Wasserstoff entweicht dann überwiegend in die Atmosphäre und darüber hinaus. Die schwereren Sauerstoffmoleküle bleiben aber eher an der Oberfläche zurück und können im Eis gebunden werden. Durch Verlagerungsprozesse des vermutlich tektonisch aktiven Eispanzers von Europa könnte der Sauerstoff dann schließlich bis in das subglaziale Wasser gelangen. „Durch die Absorption der Strahlung entsteht Sauerstoff im Eis, sodass die Eishülle gewissermaßen als Lunge Europas fungieren und eine potenzielle Sauerstoffquelle für den Ozean darstellen könnte“, sagt Erst-Autor Jamey Szalay von der Princeton University.
Doch wie viel Sauerstoff könnte an der Oberfläche des Mondes tatsächlich gebildet werden? Bisher gab es dazu nur sehr vage Annahmen auf der Grundlage von Fernerkundungsdaten und Simulationen. Doch nun haben Szalay und sein Team Daten der NASA-Raumsonde Juno ausgewertet, die genauere Rückschlüsse ermöglichten. Die Sonde flog im Jahr 2022 in nur 352 Kilometer Entfernung an Europa vorbei und konnte dabei Moleküle detektieren, die aus der Atmosphäre des Mondes stammen. Dabei handelte sich um erhebliche Mengen an geladenem molekularen Sauerstoff und Wasserstoff. „Zum ersten Mal konnten wir diese Substanzen mit In-situ-Messungen eindeutig nachweisen und damit bestätigen, dass Europas Atmosphäre hauptsächlich aus Wasserstoff- und Sauerstoffmolekülen besteht“, sagt Co-Autor Robert Ebert von der University of Texas at San Antonio.
Weniger Sauerstoff als gedacht
Auf der Grundlage ihrer Daten und durch Modellsimulationen konnten sie anschließend auch Rückschlüsse auf die Sauerstoffmenge ziehen, die auf der Oberfläche Europas fortlaufend gebildet wird. „Wir konnten die Gesamtsauerstoffproduktion Europas nun auf etwa zwölf Kilogramm pro Sekunde eingrenzen. Die Ergebnisse zeigen damit eindeutig, dass an der Oberfläche kontinuierlich Sauerstoff produziert wird – allerdings weniger als wir erwartet hatten“, sagt Szalay. Denn frühere Schätzungen reichten bis zu über 1000 Kilogramm pro Sekunde.
Das bedeutet somit auch, dass weniger Sauerstoff durch Verlagerungsprozesse in den subglazialen Ozean gelangen könnte, als bisher gedacht. Welche astrobiologischen Konsequenzen sich daraus genau ergeben könnten, bleibt bisher zwar unklar. Doch zumindest tragen die Ergebnisse zu einem besseren Verständnis der Chemie auf dem Eismond Europa bei und bieten Ansatzpunkte für verbesserte Modelle zu den möglichen Bedingungen, die in dem subglazialen Ozean vorliegen könnten. „Die Ergebnisse haben direkte Auswirkungen auf die Einschätzungen der Lebensfreundlichkeit Europas“, sagt Co-Autor Scott Bolton vom Southwest Research Institute in San Antonio.
Quelle: Southwest Research Institute, NASA, Fachartikel: Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-024-02206-x