Die Süßkartoffel kam an Bord losgerissener Boote oder Flöße von Mittel- und Südamerika nach Polynesien. Das vermuten kanadische Ozeanographen aufgrund von Computersimulationen, mit denen sie den möglichen Seeweg der Knollen berechneten. Allein durch die Meeresströmungen im Pazifik könnte die ursprünglich in Amerika beheimatete Knolle innerhalb von neunzig Tagen nach Polynesien gelangt sein, ergaben die Simulationen. Die Frage, wie die mindestens seit dem Jahr 1000 in Polynesien angebauten Süßkartoffeln über den Ozean kamen, beschäftigt Archäologen seit Jahrzehnten.
Die Simulationen der Forscher um Álvaro Montenegro von der Universität von Victoria beruhen auf Daten der
Meeresströmungen im Pazifik, die über zwölf Jahre hinweg gesammelt worden waren. Die Wissenschaftler verfolgten damit den Weg von Treibgut, das an 160 verschiedenen Punkten entlang der Küste Süd- und Mittelamerikas ins Meer gelangt war. Sieben verschiedene Inselgruppen kommen als mögliche Endpunkte einer solchen Seereise, die nur Wind und Wellen gehorcht, infrage. Von zweien dieser Inselgruppen vermuten Archäologen, dass sie Schauplatz des ersten Anbaus von
Süßkartoffeln in Polynesien waren.
Für eine solche Reise hätten Samenkapseln jedoch mindestens vier Monate gebraucht, ergaben die Berechnungen. Da die Samen im Salzwasser nicht überlebt hätten, glauben die Forscher, dass die Kartoffeln die 8.000 Kilometer lange Strecke über den Pazifik in einem Boot, das sich losgerissen hatte, oder in einem anderen Behältnis bewältigten. So hätte sich die Reisedauer auch auf nur neunzig Tage verkürzen können.
Die Wissenschaftler schließen nicht aus, dass nicht nur Süßkartoffeln, sondern auch Menschen die weite Strecke über den Pazifik bewältigten. Darauf deuten unter anderem sprachliche Gemeinsamkeiten hin: So heißen Süßkartoffeln in alten südamerikanischen Sprachen “cumal”, während eine polynesische Bezeichnung “kumala” lautet. Der amerikanische Achäologe Patrick Kirch geht sogar davon aus, dass die Polynesier nach Südamerika segelten und von dort die Kartoffel in ihre Heimat brachten.
Nature, Onlinedienst ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald