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Weiße Zwerge mit Planetentrümmern

Astronomie|Physik

Weiße Zwerge mit Planetentrümmern
Was bleibt von einem Planetensystem übrig, wenn sein Stern erloschen ist? Kosmische Trümmerspuren verraten es – und lassen sogar auf neue Welten hoffen.

Insgesamt 1816 Exoplaneten haben Astronomen laut dem „ Exoplanet Archive” der US-Weltraumagentur NASA bis zum März 2015 aufgespürt. Diese Zahl wird weiter steigen, da die Forscher inzwischen davon ausgehen, dass fast alle sonnenähnlichen Sterne von Planeten umkreist werden. Allerdings tun sie das nicht ewig. Denn sobald der nukleare Brennstoff ihres Sterns erschöpft ist, bläht sich dieser zum Roten Riesen auf und verschluckt dabei alle ihm nahen Planeten. Übrig bleibt ein ausgebranntes, extrem dichtes Gebilde: ein Weißer Zwerg. Solche Sternruinen sind ungefähr so schwer wie die Sonne, aber nur so groß wie die Erde (bild der wissenschaft 2/2012, „Sterne mit Burn-Out”). Sie kühlen im Verlauf von Jahrmilliarden langsam ab, umkreist von den Trümmern ihres einstigen Planetensystems.

Es ist keine besonders freundliche Umgebung, die da zunehmend in den Fokus von Forschern wie Eric Agol von der Universität Washington gerät. Im Astrophysical Journal schlug er vor, die Suche nach erdähnlichen Planeten auf Weiße Zwerge auszudehnen, die bislang von den Planetenjägern ignoriert wurden. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass auch unsere eigene Sonne während ihrer Riesenphase in 7,6 Milliarden Jahren Merkur und Venus zerstören wird und dabei die Erde nicht verschont (bild der wissenschaft 11/2007, „Flammendes Finale”).

„Ein Weißer Zwerg ist kühler als die Sonne. Deshalb liegt die habitable Zone bei etwa einem Hundertstel des Abstands, den die Erde von der Sonne hat”, sagt Agol. Diese Zone ist der Temperaturbereich, in dem flüssiges Wasser vorkommen könnte – eine notwendige Bedingung für erdähnliches Leben, daher „ habitabel” („bewohnbar”).

Ein Roter Riesenstern entfaltet seine Zerstörungskraft also genau in jener Region, die später die habitable Zone um den Weißen Zwerg einschließt – keine gute Voraussetzung für Planeten dort. Allerdings hält Agol es für möglich, dass ein Planet von außen in die Nähe des Weißen Zwergs wandert und dort in einer stabilen Umlaufbahn bleibt. Alternativ könnten sich neue Planeten aus der Staub- und Trümmerscheibe um den Weißen Zwerg bilden. Genug Zeit wäre dafür auf jeden Fall, meint Agol: „Weiße Zwerge kühlen langsam ab. Ein Planet in der habitablen Zone würde rund acht Milliarden Jahre bei Temperaturen zwischen denen von Mars und Venus verbringen. Das ist eine lange Zeit, in der es dort Wasser geben könnte.”

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Zehntausende Weißer Zwerge

Auch Abraham Loeb von der Havard-Universität und Dan Maoz von der Universität Tel Aviv sind optimistisch: Ihre Modellrechnung legt nahe, dass mehrere der 500 erdnächsten Weißen Zwerge Planeten in der habitablen Zone beherbergen.

„Es wäre möglich, solche Planeten mit Teleskopen auf der Erde aufzuspüren”, sagt Agol. Bislang sind allerdings nur rund 10 000 Weiße Zwerge bekannt, was nach kosmischen Standards nicht viel ist. Agol schätzt aber, dass die aktuelle Himmelsdurchmusterung Gaia der europäischen Weltraumagentur ESA sowie das Large Synoptic Survey Telescope, das derzeit in Chile gebaut wird, Zehntausende von Weißen Zwergen ausfindig machen werden.

Zwar ist bislang noch kein Planet um einen Weißen Zwerg nachgewiesen worden, aber: „Es gibt definitiv Überreste von Planetensystemen”, sagt Boris Gänsicke, Astrophysiker an der britischen Universität Warwick. „Und Weiße Zwerge eignen sich derzeit am besten, um etwas über die Zusammensetzung solcher Systeme herauszufinden.”

Den ersten Hinweis auf derartige Überreste fand Adriaan van Maanen schon vor fast 100 Jahren. Der niederländische Forscher ist in der Astronomiegeschichte als Pechvogel bekannt: Anfang des 20. Jahrhunderts tobte eine heftige Debatte, ob helle Spiralnebel wie der Andromedanebel Teil unserer Galaxie sind oder vielmehr eigenständige Sterneninseln. Unterstützung fanden die Vertreter der ersten Theorie in van Maanens Entfernungsberechnung der Spiralnebel. Doch später stellte sich heraus: Der Astronom hatte sich gründlich verrechnet, denn der Andromedanebel ist eine extrem weit entfernte Spiralgalaxie.

Auch im Fall des Weißen Zwergs hatte van Maanen kein glückliches Händchen: 1917 untersuchte er den nach ihm benannten Van Maanens Stern, einen 14 Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg im Sternbild Fische. Die charakteristischen Spektrallinien in seinem Licht, die von bestimmten chemischen Elementen stammen, sollten eigentlich nur Wasserstoff und Helium anzeigen. Denn alle schwereren Elemente müssten aufgrund der großen Schwerkraft des Zwergsterns innerhalb kürzester Zeit aus der Atmosphäre in sein Inneres sinken.

Doch Van Maanens Stern wies Spuren von Eisen, Kalzium und Magnesium auf. Sie können nicht von dem Weißen Zwerg beziehungsweise seinem Vorläuferstern selbst stammen, sondern müssen von außen in seine Atmosphäre gelangt sein. Van Maanen konnte seinen Fund allerdings nicht richtig einordnen, sondern hielt den Weißen Zwerg fälschlicherweise für einen gewöhnlichen Stern. Somit verpasste er die Chance, den ersten Beleg von fremden Planetensystemen zu erkennen, lange bevor überhaupt ein Exoplanet nachgewiesen wurde – das gelang erst 1995.

Staub aus dem Trümmerfeld

Inzwischen kennen Astrophysiker die „Verschmutzer” der Sternatmosphären: Die schweren Elemente stammen aus steinigen Trümmerfeldern ähnlich dem Planetoidengürtel unseres Sonnensystems. „Weiter außen gelegene Planeten stören die Bahnen dieser Asteroiden und schicken sie in die Richtung des Weißen Zwergs”, erklärt Boris Gänsicke. „Wenn sie dem ausgebrannten Stern nahe genug kommen, werden sie durch die Gezeitenkräfte zerrissen und bilden eine Staubscheibe um den Weißen Zwerg, die unseren Teleskopen als zusätzliche Strahlung im Infrarotbereich erscheint.” Dieses Material wird anschließend vom Weißen Zwerg eingefangen, und Astronomen sehen dadurch zusätzliche Linien in seinem Lichtspektrum.

Zusammen mit Kollegen schätzte Gänsicke 2014 die Häufigkeit solcher Trümmerfelder ab. Dafür untersuchten die Astronomen mit dem Hubble-Weltraumteleskop die Spektrallinien von 85 Weißen Zwergen mit einem Alter von 20 bis 200 Millionen Jahren. Das Ergebnis: Jeder vierte bis jeder zweite Weiße Zwerg hat Spuren von Metallen in der Atmosphäre. „Das weist auf die Akkretion von Planetoiden hin. Und das sind richtig große Gesteinsbrocken, die 10 oder 100 Kilometer messen”, sagt Gänsicke (siehe Kasten oben „ Ein Planet wird zerrissen”).

Spuren fremder Zivilisationen?

Dieses Material liefert den Forschern Aufschlüsse über die Zusammensetzung der Planetensysteme. Zwar ist ein einzelner Weißer Zwerg nur eine winzige Stichprobe. „Das ist so, als ob wir von einzelnen Meteoriten, wie wir sie zum Beispiel in der Sahara oder Antarktis finden, auf unser ganzes Sonnensystem schließen wollten”, sagt Gänsicke. Doch aus den bislang untersuchten Weißen Zwergen lassen sich durchaus Trends erkennen: „Insgesamt sind in fast allen Fällen Sauerstoff, Eisen, Silizium und Magnesium die Hauptbestandteile – und aus diesen Elementen besteht auch das Gestein unserer Erde.”

Ein spektakulärer Fund gelang Jay Farihi von der Universität Cambridge und Kollegen im Jahr 2013. Im Fachmagazin Science beschreiben sie den Nachweis eines Planetoiden, den der Weiße Zwerg GD 61 im Sternbild Perseus in rund 150 Lichtjahren Entfernung von der Erde zerfetzt hatte. Dieser Planetoid bestand wohl zu einem Viertel aus Wasser und ähnelte somit in seiner Zusammensetzung Ceres, dem größten Objekt im Planetoidengürtel unseres Sonnensystems. Demnach gab es in diesem System zumindest diejenige Zutat, die als unabdingbar für biologische Aktivität gilt: Wasser.

Bleibt die Frage: Könnten die Astronomen auch Spuren von vergangenen, vielleicht zerstörten Zivilisationen finden? „Im Prinzip schon”, sagt Gänsicke, „wenn wir ein Element in einem Weißen Zwerg aufspüren, das in der Natur gar nicht oder sehr selten vorkommt, zum Beispiel Technetium. Aber das ist Science-Fiction.” •

von Franziska Konitzer

Ohne Titel

FRANZISKA KONITZER ist Astronomin und Wissenschaftsjournalistin in München. In bdw 4/2014 berichtete sie über Moleküle aus dem All.

Ein Planet wird zerrissen

Im August 2011 leuchtete im Kugelsternhaufen NGC 6388 im Sternbild Skorpion eine Röntgenquelle auf, die Astronomen vor ein Rätsel stellte: Zunächst dachten sie an ein Doppelsternsystem. Anschließende Untersuchungen mit dem Röntgenteleskop Chandra über 200 Tage dokumentierten das charakteristische Abklingen der Strahlung und deuteten auf ein seltenes Ereignis hin. In einer vor Kurzem veröffentlichten Studie kommt ein Team um Melania del Santo vom Staatlichen Astrophysikalischen Institut in Rom zum Schluss, dass die Röntgenstrahlung von einem kleinen Gesteinsplaneten erzeugt wurde, den ein Weißer Zwerg aufgrund der Gezeitenkräfte zerrissen hat, und der immerhin ein Drittel der Erdmasse besaß. Sollte sich dies bestätigen, wäre das die erste direkte Beobachtung dieser Art. Plausibel wäre das Szenario, wenn die Orbits der äußeren Planeten um den Weißen Zwerg langfristig nicht stabil wären, sondern verschiedene Planeten sich in ihren Bahnen stören würden.

Kompakt

· Um Weiße Zwerge können lebensfreundliche Planeten kreisen.

· Wenn ihre Atmosphäre schwere Elemente enthält, könnte das ein Hinweis auf erdähnliche Planetensysteme sein.

· Möglicherweise haben Astronomen beobachtet, wie ein kleiner Gesteinsplanet durch einen Weißen Zwerg zerrissen wurde.

Mehr zum Thema

Lesen

Hugh M. Van Horn Unlocking the Secrets of White Dwarf Stars Springer, Cham 2014, € 32,09

Internet

Exoplanet Archive der NASA: exoplanetarchive.ipac.caltech.edu

Eric Agol: The Habitability of White Dwarfs webcast.stsci.edu/webcast/detail.xhtml; jsessionid=9065949783941FE2030BC031 CA568F68?talkid=4024&parent=1

Benjamin Zuckerman: Recognition of the First Observational Evidence of an Extrasolar Planetary System arxiv.org/abs/1410.2575

Lebensfreundliche Region

Selbst um Weiße Zwergsterne gibt es eine Habitable Zone. Sie ist definiert durch das Vorkommen von flüssigem Wasser auf potenziellen Planeten. Abhängig ist sie vom Abstand solcher Planeten zum Weißen Zwerg (der hier die 0,6-fache Masse der Sonne hat) sowie von dessen Alter und somit seiner Leuchtkraft und Atmosphärentemperatur.

Signatur der Zerstörung

In der äußeren Atmosphäre des Weißen Zwergsterns GD 362 wurden zahlreiche schwere Elemente mithilfe der Spektralanalyse gemessen. Ihre Häufigkeit ähnelt der auf Erde, Mond und Mars. Dies lässt darauf schließen, dass der Stern einen oder mehrere felsige Planetoiden ähnlicher Zusammensetzung verschluckt hat.

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