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Warum Uranus verdreht ist

Astronomie|Physik

Warum Uranus verdreht ist
Uranus ist unter den Planeten unseres Sonnensystems auf einzigartige Weise verdreht. Auch die Monde und Ringe von Uranus sind in dieser Weise ausgerichtet, was darauf hindeutet, dass sich das System nach einem katastrophalen Einschlag gebildet hat. (Bild: Lawrence Sromovsky, Universität Wisconsin-Madison/W.W. Keck-Observatorium/NASA)

Schon lange blicken Astronomen fragend auf Nummer Sieben in unserem Planetensystem: Warum besitzt Uranus eine um über 90 Grad gekippte Drehachse und so seltsam kleine Monde? Nun zeigt eine Simulation erstmals stimmig, dass eine urzeitliche Kollision dem Uranus-System diese skurrilen Merkmale verpasst haben könnte: Ein eisiger Himmelskörper von etwa der ein- bis dreifachen Masse der Erde krachte demnach in den jugendlichen Uranus und sorgte für das verdrehte System.

Normalerweise gilt in unserem Sonnensystem: Die Rotationsachsen der Planeten sind tendenziell senkrecht zu ihrer Umlaufbahn ausgerichtet. Dadurch trifft am meisten Sonnenlicht auf die Äquatorregion. Doch ein Planet tanzt dabei völlig aus der Reihe – Uranus umrundet die Sonne gleichsam auf der Seite liegend: Seine Rotationsachse ist um 98 Grad verdreht. Dadurch steht die Sonne ein halbes Uranus-Jahr fast im Zenit über jeweils einem der Pole des Planeten. Auch das Ringsystem und die 27 Monde des Eisriesen sind entsprechend gekippt ausgerichtet: Sie umkreisen den Äquator des eisigen Planeten, der etwa viermal so groß wie die Erde ist.

Bereits seit einiger Zeit vermuten Astronomen, dass eine urzeitliche Kollision mit einem Protoplaneten die Neigung verursacht hat. Dabei gab es bisher allerdings ein Problem: Simulationen entsprechender Szenarien konnten die Entstehung des heutigen Uranus-Systems nicht stimmig darstellen. Vor allem führten die Modelle zu einer zu großen Masse der Trümmerscheibe nach dem Aufprall – sie passte nicht zu der Gesamtmasse der heutigen Uranusmonde.

Ungereimtheiten geklärt

Die Forscher um Shigeru Ida vom Tokyo Institute of Technology haben nun hingegen Faktoren einberechnet, die zu einem stimmigen Modell der Entstehungsgeschichte des Uranus und seiner Monde führen. Aus ihrem Modell geht nun plausibel hervor, dass Uranus in der Frühgeschichte unseres Sonnensystems von einem Eisplaneten der ein- bis dreifachen Masse der Erde getroffen wurde. In der Folge kippte der junge Planet um und es entwickelte sich das Mond- und Ringsystem, wie wir es heute sehen.

Zur Erklärung ihres veränderten Modell-Ansatzes richten die Wissenschaftler zunächst den Blick auf die Erde: Man geht derzeit davon aus, dass vor 4,5 Milliarden Jahren der Einschlag eines marsgroßen Gesteinsplaneten zur Bildung unseres Planeten und seines Mondes geführt hat. Entsprechende Modelle erklären die Zusammensetzungen beider Himmelskörper und die Art und Weise, wie der Mond die Erde umkreist. Astronomen nehmen an, dass solche massiven Kollisionen im frühen Sonnensystem häufiger vorkamen und die Merkmale einiger Planeten und ihrer Trabanten geprägt haben. Doch im Fall von Uranus spielten spezielle Faktoren eine Rolle, weil er sich so weit von der Sonne entfernt gebildet hat, sagen Ida und seine Kollegen.

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Masseverluste durch Verdampfung

Da die Erde bei vergleichsweise heißen Bedingungen nahe der Sonne entstanden ist, besteht sie zu einem großen Teil aus Substanzen, die bei den vorherrschenden Druck- und Temperaturverhältnissen nicht gasförmig sind. Im Gegensatz dazu sind die äußeren Planeten weitgehend aus flüchtigen Substanzen wie Wasser oder Ammoniak aufgebaut. Durch die niedrigen Temperaturen bilden diese Substanzen dort Eis. Wie Ida und seine Kollegen erklären, waren Einschläge von Protoplaneten auf diesen Eisplaneten deshalb völlig anders als im Fall von Gesteinsplaneten. Bei der Erde verursachte die Hitze durch die Kollision eine Masse, die relativ schnell wieder erstarrte. Dadurch konnte der Mond eine große Menge der Trümmer aufgrund seiner eigenen Schwerkraft einfangen.

Im Gegensatz dazu verflüchtigte sich im Fall des Uranus eine große Menge der Materie nach der Kollision, da Wasser und Co lange gasförmig blieben. Konkret bedeutet das: Die Kollision mit dem Protoplaneten kippte Uranus und ließ ihn größtenteils Materials verdampfen. Aus dieser Wolke bildeten sich dann sein Körper sowie das Ringsystem und seine Monde. Weil jedoch ein großer Teil der Wolke dabei ins All verloren ging, blieben die Monde klein. Dieser Effekt erklärt, warum das Verhältnis der Masse von Uranus zu seinen Monden um mehr als den Faktor hundert größer ist als das Massenverhältnis der Erde zu ihrem Mond.

“Unser Modell ist das erste, das die Entstehung des Mondsystems von Uranus erklärt“, resümiert Ida. “Es könnte nun auch helfen, die Merkmale anderer Systeme eisiger Planeten in unserem Sonnensystem wie Neptun zu erklären“, so der Wissenschaftler. Und er blickt sogar noch weiter ins All hinaus: Inzwischen sind Tausende von Planeten um ferne Sterne bekannt, bei denen es sich vermutlich um eisige Gasriesen wie Uranus handelt. Somit könnte das neue Modell auch Licht auf deren Entstehungsgeschichte werfen, sagt Ida.

Quelle: Tokyo Institute of Technology, Fachartikel: Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-020-1049-8

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