Eigentlich sollte die Bohrsonde der NASA-Sonde “Mars InSight” bis zu fünf Meter tief in den Marsuntergrund vordringen, doch sie scheiterte an einer unerwartet porösen und gleichzeitig spröden Deckschicht. Jetzt liefern die trotz dieser Probleme gesammelten Temperaturdaten dieser Sonde Hinweise zur Entstehung dieser “Duricrust”. Sie verraten aber auch, wie gut die Marskruste gegen die Temperaturschwankungen an der Oberfläche isoliert, wie hoch die Dichte der oberflächennahen Schichten ist und wie sie aufgebaut sind. Zusammen geben diese neuen Erkenntnisse wertvolle Einblicke in die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Marsuntergrunds – und damit die Faktoren, die auch für frühere oder sogar heutige mikrobielle Prozesse wichtig sind.
Als die NASA-Sonde Mars InSight im November 2018 auf dem Roten Planeten landete, waren die Erwartungen groß: Mithilfe ihrer Instrumente, darunter Thermosonden, Seismometer und Radiopositionsdetektoren, sollte Mars InSight erstmals genauere Daten zur inneren Zusammensetzung des Roten Planeten liefern. Mit Erfolg: Schon kurz nach der Landung registrierte das Seismometer erstmals ein Beben auf dem Mars, gut 1300 weitere sollten in den nächsten rund vier Jahren folgen. Anhand dieser Daten ermittelten Planetenforscher unter anderem Informationen zu Größe und Aufbau von Kern, Mantel und Kruste des Roten Planeten. Seismische Daten aus dem Bereich um das Grabensystem Cerberus Fossae lieferten zudem spannende Hinweise darauf, dass es dort in der Tiefe noch eine heiße, teils geschmolzene Zone im Untergrund geben könnte, möglicherweise sogar eine vulkanische Magmakammer.
HP3-Bohrer: An einer “Duricrust” gescheitert
Doch ausgerechnet das wichtigste Instrument von Mars InSight, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte Experiment HP3 (Heat Flow and Physical Properties Package) bereitete Probleme. Ziel dieser auch als “Mars-Maulwurf” bezeichneten Sonde war es, sich mithilfe eines Hammermechanismus bis zu fünf Meter tief in den Marsuntergrund zu bohren. Dort sollte die stabförmige Sonde erstmals den Wärmefluss unter der Oberfläche des Mars messen. Doch der Maulwurf schaffte es nicht, tiefer als knapp 40 Zentimeter in den Marsboden einzudringen. Dieser erwies sich als unerwartet verkrustet, aber gleichzeitig hochporös, und bot dem “Schlagbohrer” daher nicht genügend Halt und Reibung, um weiter in den Untergrund getrieben zu werden. „Um sich eine Vorstellung über die mechanischen Eigenschaften des Bodens machen zu können, verweise ich gerne auf den in der Floristik verbreiteten Blumensteckschaum, ein leichtes, hochporöses Material, in dem Löcher entstehen, wenn man Pflanzenstiele hineindrückt“, erklärt Erstautor Tilman Spohn, wissenschaftlicher Leiter des Experiments HP3 vom DLR-Institut für Planetenforschung. Die Existenz einer solchen “Durikruste” war auf Basis von Orbiterdaten im Landegebiet von Mars InSight nicht erwartet worden.
Dennoch war der Mars-Maulwurf damit nicht völlig nutzlos: Nach dem Ende der Bohrversuche nutzten die Planetenforscher die Sonde, um die Temperaturveränderungen in der erreichten Tiefe zu messen. „Dabei haben wir an sieben Marstagen die Wärmeleitfähigkeit und die Temperaturschwankungen in kurzen zeitlichen Abständen ermittelt“, berichtet Spohn. „Darüber hinaus haben wir kontinuierlich die höchsten und tiefsten Tagestemperaturen über das zweite Marsjahr gemessen. Diese Aufzeichnungen des Temperaturverlaufs über Tageszyklen und verschiedenen Jahreszeiten hinweg waren die ersten dieser Art auf dem Mars.“ Jetzt hat das Team die Auswertung dieser Daten veröffentlicht. Die Resultate geben Einblick in Wärmeleitfähigkeit, Struktur und Zusammensetzung der obersten rund 40 Zentimeter Marskruste. Gleichzeitig lieferten sie auch Hinweise darauf, wie und warum der „Duricrust-Boden” entstanden ist.
Gute Isolierung und flüssige Sole
Die Messungen ergaben, dass die Temperatur im Untergrund während eines Marstages nur um rund fünf bis sieben Grad um den Mittelwert von rund minus 56 Grad schwankt – und damit deutlich weniger als an der Oberfläche des Planeten. Denn dort verändern sich die Temperaturen beim Wechsel zwischen Tag und Nacht um bis zu rund 100 Grad. Der Marsboden stellt demnach einen guten Isolator dar und dämpft die großen Temperaturunterschiede schon in geringer Tiefe ganz erheblich, wie Spohn und sein Team berichten. Im Laufe der Jahreszeiten schwankte die Temperatur in knapp 40 Zentimeter Tiefe um 13 Grad. Mit diesen Temperaturdaten lieferte der “Mars-Maulwurf” auch Hinweise darauf, wie sich die rund 20 Zentimeter dicke Durikruste bildete, an der er letztlich scheiterte. Wie Spohn und seine Kollegen ermittelten, ist es im Winter und Frühling tagsüber warm und feucht genug, um einen dünnen Film aus flüssigen, salzhaltigen Solen in der Schicht knapp unter der Marsoberfläche entstehen zu lassen. Wenn dann die Feuchtigkeit an der Marsoberfläche wieder sinkt, kristallisiert die Sole aus und verfestigt die Körnchen des Marsregoliths. Dadurch bildet sich die poröse, aber harte Struktur, die das Vordringen des Marsbohrer behinderte.
Aus dem Vergleich der Temperaturen in der Tiefe und an der Oberfläche konnten Spohn und sein Team die thermische Diffusivität, ein Maß für die Rate des Wärmetransports in einer Substanz, sowie die thermische Leitfähigkeit ermittelten. Dies wiederum ermöglichte es, erstmals die Dichte der oberflächennahen Marskruste abschätzen, was zuvor mit keiner Landesonde gelungen war. Auch andere
physikalische Eigenschaften wie die Elastizität des Bodens, die Geschwindigkeit seismischer Wellen oder der Transport von Material im Marsboden lassen sich aus den HP3-Daten nun ableiten. „Die Temperatur hat auch starken Einfluss auf chemische Reaktionen, die im Boden stattfinden, auf den Austausch mit den Gasmolekülen der Atmosphäre und damit auch auf potenzielle biologische Prozesse mit Blick auf mögliches mikrobielles Leben auf dem Mars“, erklärt Spohn weiter. Auch für die zukünftige Mars-Exploration mit Menschen sind die Erkenntnisse über die Eigenschaften und Festigkeit des Marsbodens von besonderem Interesse.
Quelle: Tilman Spohn (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, Köln) et al., Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2024GL108600