Skurril und ausgesprochen erfolgreich: Die Insektengruppe der sogenannten Phasmiden hat sich viele tropische und subtropische Lebensräume erobert und eine beachtliche Artenvielfalt hervorgebracht.Über 3.000 Arten sind bekannt und es werden auch immer noch neue Spezies entdeckt. Charakteristisch für die Stab- und Gespenstschrecken ist ihre teils beachtliche Größe und oft bizarre, an Pflanzenteile erinnernde Körperform. Mit dieser Tarnungsstrategie entgehen sie den hungrigen Blicken von Fressfeinden. Wie die aktuelle Studie nahelegt, handelt es sich um ein uraltes Erfolgskonzept.
Der Evolutionsbiologe Sven Bradler von der Universität Göttingen hat in Kooperation mit Paläontologen aus Frankreich und China die neue Stabschrecken-Art aus der frühen Kreidezeit entdeckt und beschrieben. Sie nannten sie Cretophasmomima melanogramma. Die Forscher haben die Fossilien in Gesteinen aus dem Nordosten Chinas identifiziert, die etwa125 Millionen Jahre alt sind. Bisher waren von Vertretern der Stab- und Gespenstschrecken nur Funde bekannt, die aus einer Zeit von vor rund 50 Millionen Jahren stammen. Anhand von drei bemerkenswert gut erhaltenen Individuen – zwei Männchen und einem Weibchen – konnten die Wissenschaftler auf Details des Aussehens der Tiere schließen.
Charakteristische Ähnlichkeiten
Die auffällige Färbung der ausgeprägten Flügeladern von C. melanogramma lässt den Forschern zufolge vermuten, dass die Insekten damals blattförmige Organe einer Pflanze imitierten, die dem noch heute existierenden Ginkgo biloba ähnelte. Der prominente Baum mit seinen fächerförmigen Blättern gilt als ein lebendes Fossil. Es handelt sich um einen Vertreter der nacktsamigen Pflanzen, die bis vor etwa 90 Millionen Jahren das Reich der Botanik dominierten.
Bisher ging man davon aus, dass sich die Mimese der Stabschrecken erst parallel mit der Erfolgsgeschichte der bedecktsamigen Blütenpflanzen entwickelte, zu denen die meisten heutigen Pflanzen gehören. „Die frühe Form der Blattmimese deutet darauf hin, dass sich die Stabschrecken schon damals als Abwehr gegen Insektenfresser wie frühe Vogel- und Säugetierarten, an die Umgebung anpassten. Deren Anwesenheit veranlasste die Stabschrecken vermutlich zu der trickreichen Tarnung”, sagt Bradler.