Ob die Wärmeemission dieser Städte über das Lokale hinaus einen Klimaeffekt hat, wurde bisher jedoch nicht untersucht. Auch gängige Klimamodellen berücksichtigten dies bisher nicht, sagen die Wissenschaftler. Umgekehrt aber weicht die in einigen Regionen gemessene Temperaturentwicklung aus bisher ungeklärten Gründen leicht von den Modellvorhersagen ab. Vor allem Nordamerika und Nordasien sind im Winter wärmer als sie es den Simulationen nach sein dürften. Gibt es da womöglich einen Zusammenhang?
Ein Grad mehr im Norden
Dieser Frage sind Zhang und seine Kollegen in ihrer Studie nun nachgegangen. Sie ergänzten ein globales Klimamodell mit Daten zum Energieverbrauch und der dadurch erzeugten Abwärme für 86 Ballungszentren der Nordhalbkugel und verglichen anschließend die Simulationen mit und ohne diesen Effekt. Das Ergebnis: Auf globaler Ebene machte es kaum einen Unterschied, ob der Hitzeeffekt der Städte mit aufgenommen wurde oder nicht. “Auf das Jahr gesehen unterschieden sich die Temperaturen nur um 0,01 Grad”, berichten die Forscher.
Ganz anders sah das Ergebnis aber aus, als Zhang und seine Kollegen die Erwärmung der einzelnen Kontinente betrachteten. Dann fanden sie Abweichungen um bis zu einem Grad nach oben oder unten zwischen den beiden Modellvarianten. “In Russland und Nordasien zeigt sich eine starke Erwärmung um ein Grad, im Osten Chinas um ein halbes Grad”, berichten sie. In der Wildnis Kanadas stiegen die Temperaturen bei Einrechnung der urbanen Abwärme um 0,8 Grad. Vor allem im Herbst und Winter sei dieser Effekt stark ausgeprägt. Dann lasse sich auch im Norden Europas ein signifikanter Anstieg der Temperaturen beobachten. Die Forscher schlussfolgerten daraus, dass die Abwärme der Ballungsräume offenbar nicht nur lokal das Klima verändern kann, sondern auch über große Gebiete hinweg.
Verschobene Jetstreams
Wie eine Stadt selbst über tausende von Kilometern einen solchen Wärmeeffekt bewirken kann, zeigte eine weitere Simulation, in der Zhang und seine Kollegen die großen Luftströmungen genauer untersuchten. “Die am dichtesten bevölkerten Ballungsräume liegen entlang der Küsten Nordamerikas und Eurasien – genau unter den prominentesten Senken und Strömungen der Atmosphäre”, erklärt Ko-Autor Ming Cai von der Florida State University in Tallahassee. Die aus den Städten aufsteigende konzentrierte Wärmeenergie störe diese Strömungen und damit die normale atmosphärische Zirkulation.
Im Modell zeige sich unter anderem eine deutliche Verschiebung und Aufweitung des Jetstreams im Winter, berichten die Forscher. Dieses Starkwindband zieht sich wie eine atmosphärische Autobahn um die Erde und beeinflusst Winde und Wetter auf der gesamten Nordhalbkugel. Wie die Forscher erklären, sorgen diese und andere Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation dafür, dass sich der Westwind auf Höhe von rund 40 Grad nördlicher Breite abschwächt und sich dafür weiter im Norden verstärkt. Über der russischen Arktis kann sich zudem ein Tiefdruckgebiet ausbilden, das warme Winde aus dem Süden in die kalten Regionen vordringen lässt.
“Unsere Studie zeigt, dass es eine kontinentweite Reaktion des Klimas auf die durch den menschlichen Energieverbrauch erzeugte Wärme gibt”, konstatieren die Forscher. Das aber demonstriere, dass es wichtig sei, neben Treibhausgasen, Aerosolen und Veränderungen der Landnutzung auch diesen Faktor in die Klimamodelle und Prognosen mit einzubeziehen.