Die Menge des starken Treibhausgases Stickstofftrifluorid in der Atmosphäre wurde bisher unterschätzt: Neuen Messungen US-amerikanischer Forscher zufolge enthält die Atmosphäre viermal mehr Stickstofftrifluorid als angenommen. Zudem steigt die Menge jedes Jahr um etwa elf Prozent. Zwar tragen die Emissionen des Gases momentan nur zu etwa 0,15 Prozent zum gesamten Ausstoß von klimawirksamen Gasen bei, jedoch ist die Treibhauswirkung der Stickstoffverbindung 17.000-mal stärker als die der gleichen Menge Kohlendioxid. Das Gas könnte daher bei weiter steigenden Mengen in Zukunft eine wesentlich größere Rolle bei der globalen Erwärmung spielen, geben die Forscher um Ray Weiss vom Scripps-Institut in La Jolla zu bedenken. Stickstofftrifluorid wird unter anderem bei der Produktion von Flachbildschirmen und Mikroschaltkreisen verwendet.
Trotz seiner starken Treibhauswirkung ist Stickstofftrifluorid im
Kyoto-Protokoll, das Grenzwerte für den Ausstoß klimawirksamer Gase festlegt, nicht erfasst. Die Emissionsmenge galt als so gering, dass es nicht als maßgeblicher Klimafaktor angesehen wurde. So lag die Menge an Stickstofftrifluorid in der Atmosphäre im Jahr 2006 bisherigen Messungen zufolge bei 1.200 Tonnen. Tatsächlich handelte es sich jedoch wohl eher um 4.200 Tonnen im Jahr 2006 und 5.400 Tonnen im Jahr 2008, zeigen nun die neuen Messungen von Weiss und seinen Kollegen. Die Wissenschaftler hatten dazu Luftproben aus den vergangenen 30 Jahren analysiert, die vor allem an der Küste Kaliforniens und in Tasmanien gesammelt worden waren.
Die Konzentration von Stickstofftrifluorid stieg von 0,02 Teilchen pro Billion Luftteilchen (part per trillion, ppt) im Jahr 1978 auf 0,454 ppt in 2008. Dabei war die Menge auf der nördlichen Halbkugel messbar größer als die auf der südlichen. Insgesamt, haben die Forscher errechnet, gelangen damit etwa 16 Prozent der überhaupt produzierten Stickstofftrifluoridmenge in die Atmosphäre ? ein Wert, der deutlich höher liegt als die bisher vermuteten zwei Prozent.
In den vergangenen Jahren sei der Einsatz von Stickstofftrifluorid bei der Produktion von LCD-Bildschirmen, Mikroschaltkreisen und ähnlichem auch deswegen gestiegen, weil das Gas als Alternative zu den stark klimawirksamen perfluorierten Kohlenwasserstoffen galt. Aus diesem Grund und wegen der Tatsache, dass der in die Atmosphäre abgegebene Anteil sehr viel größer ist als bisher angenommen, hatten Wissenschaftler daher bereits empfohlen, Stickstofftrifluorid nachträglich ins Kyoto-Protokoll aufzunehmen.
Mitteilung der Nasa ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel