Anzeige
1 Monat GRATIS testen. Danach zum Jubiläumspreis weiterlesen.
Startseite »

Tintenfische versauern

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Tintenfische versauern
squidbdw01.jpg
Kalmare der Art Loligo pealeii reagieren sensibel auf die Versauerung des Meeres (Bild: NOAA/ NMFS/ SEFSC)
Die zunehmende Versauerung der Ozeane bedroht nicht nur Korallen und Kalkalgen: Auch Tintenfische könnten zukünftig betroffen sein. Denn steigt der Säuregehalt des Meerwassers an, entwickeln sich ihre Eier langsamer und die Jungtiere bleiben kleiner. Gleichzeitig entwickeln sie deformierte Gleichgewichtsorgane, so dass sie die Orientierung verlieren und im Kreis schwimmen. Das zeigt ein Experiment von US-Meeresforschern, bei dem sie Eier und Jungtiere von Kalmaren den Wasserbedingungen aussetzten, wie sie laut Klimaprognosen in rund 100 Jahren herrschen könnten. Die Gefährdung dieser Tintenfische habe weitreichende Folgen, warnen die Wissenschaftler. Denn die Tiere seien sowohl ökologisch wie auch ökonomisch ein wichtiger Teil der Meeresfauna.

Der steigende Kohlendioxidgehalt der Luft heizt nicht nur das Klima an, er wirkt sich auch auf die Ozeane aus. Denn Meer und Atmosphäre stehen in stetem Austausch. Ein Teil des Treibhausgases löst sich im Meerwasser und bildet dort Kohlensäure und andere chemische Verbindungen, die das Wasser saurer machen. Das aber hat Folgen vor allem für Meeresbewohner wie Korallen, Muscheln, Seeigel oder Kalkalgen. Denn sie sind für ihre Kalkschalen und -skelette darauf angewiesen, ausreichend Kalziumkarbonat aus dem Wasser aufnehmen zu können. In saurem Wasser jedoch wird diese Biomineralisation erschwert, stattdessen löst sich vermehrt Kalk auch aus bereits bestehenden Schalen.

Mehr als nur Korallen

In letzter Zeit mehren sich Hinweise darauf, dass auch andere Meerestiere durch einen sinkenden pH-Wert beeinträchtigt werden. So verlieren beispielsweise die Larven von Clownfischen bereits unterhalb eines pH von 7,8 ihren Geruchssinn. Zum Vergleich: Der normale Säuregrad des Meerwassers liegt zurzeit zwischen 7,9 und 8,25. Welche Folgen die zunehmende Versauerung auf Tintenfische hat, war bisher unklar. Max Kaplan, Aran Mooney und ihre Kollegen von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) haben dies nun in einem Experiment untersucht.

Dafür fingen die Forscher im Vineyard Sound in Massachusetts mehrere männliche und weibliche Kalmare der Art Loligo pealeii. Diese zehnarmigen, rötlich gefärbten Kopffüßer kommen entlang der Ostküste Nordamerikas häufig vor, ihr Körper ist etwa so lang wie ein menschlicher Unterarm. Die eingefangenen Tiere wurden im Labor gehalten, bis sie sich paarten und die Weibchen mit der Ablage ihrer Eikapseln begannen. Kaplan und seine Kollegen sammelten die Eikapseln ein und legten sie in zwei verschiedene Meerwasserbecken. Eines wurde mit normaler Außenluft belüftet, der Säuregrad des Wassers entsprach daher dem im heutigen Nordatlantik. Das zweite Becken erhielt Luft mit einem erhöhten Kohlendioxid-Gehalt, das Wasser war dadurch drei Mal saurer als heute. Es entsprach damit in etwa dem Wert, wie er für Ende dieses Jahrhunderts für viele Meeresregionen vorhergesagt wird. Die Forscher beobachteten, wie lange die Larven zum Schlupf benötigten und vermaßen und untersuchten die Jungtiere in regelmäßigen Abständen.

Anzeige

Beeinträchtigungen in allen gemessenen Parametern

Das Ergebnis: In nahezu allen gemessenen Parametern hatte das saure Wasser deutliche Auswirkungen: Die Tintenfisch-Embryonen im saureren Wasser entwickelten sich langsamer und schlüpften später. “Das ist nicht gerade günstig, wenn man nur eine unbewegliche Masse Eier am Meeresboden ist, die leicht von Fischen gefressen werden kann”, sagt Mooney. Nach dem Schlüpfen blieb die Größe der Jungtiere zudem im Durchschnitt um fünf Prozent hinter der ihrer Artgenossen im weniger sauren Wasser zurück.

Aber nicht nur das: Die dem höheren pH-Wert ausgesetzten Kalmare entwickelten auch missgebildete Gleichgewichtsorgane. Diese bestehen normalerweise aus winzigen Kristallen aus Kalziumkarbonat, den sogenannten Statolithen. Anhand der Bewegungen dieser Kristalle in speziellen Sinneszellen erkennen die Tintenfische ihre Lage im Wasser und können so ihre Schwimmbewegungen steuern. Statt regelmäßiger, voll ausgebildeter Statolithen besaßen die im sauren Wasser aufgewachsenen Kalmare sehr viel kleinere Kristalle mit fehlgebildeter Struktur, wie die Forscher berichten. “Das spricht dafür, dass die Tiere bei hohen CO2-Werten Probleme haben, diese Kristalle zu bilden”, erklärt Mooney. Das saure Wasser löse das Kalziumkarbonat ständig wieder auf. Als Folge bekommen die Kalmare Probleme bei der Orientierung und werden daher leichte Beute für Raubfische.

Das Ergebnis des Experiments zeige, dass die Folgen der Meeresversauerung weitreichender sein könnten als bisher angenommen. “Tintenfische stehen im Zentrum des Meeresökosystems – nahezu alle Meerestiere ernähren sich von ihnen oder fressen sie”, erklärt Mooney. Wenn ihnen etwas zustoße, habe das Folgen auf vielen Ebenen der marinen Nahrungskette. So seien Kalmare eine wichtige Nahrung für Thunfische und andere kommerziell wichtige Fischarten. In vielen Regionen werden aber auch die Tintenfische selbst gefangen und als begehrte Meeresfrucht verkauft.

Max Kaplan (Woods Hole Oceanographic Institution, Woods Hole) et al., PLoS ONE © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Wach|tel|wei|zen  〈m. 4; unz.; Bot.〉 Braunwurzgewächs mit weizenähnlichem, braunem, später schwarzem Samen: Melampyrum

An|mo|de|ra|ti|on  〈f. 20; TV〉 Begrüßungs– od. Einleitungsworte des Moderators; Ggs Abmoderation … mehr

Klo|a|ken|tier  〈n. 11; Zool.〉 mit einer Kloake (2) ausgestattetes, eierlegendes Säugetier Australiens u. der engbenachbarten Inselwelt: Monotremata

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige