Mehr als nur Korallen
In letzter Zeit mehren sich Hinweise darauf, dass auch andere Meerestiere durch einen sinkenden pH-Wert beeinträchtigt werden. So verlieren beispielsweise die Larven von Clownfischen bereits unterhalb eines pH von 7,8 ihren Geruchssinn. Zum Vergleich: Der normale Säuregrad des Meerwassers liegt zurzeit zwischen 7,9 und 8,25. Welche Folgen die zunehmende Versauerung auf Tintenfische hat, war bisher unklar. Max Kaplan, Aran Mooney und ihre Kollegen von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) haben dies nun in einem Experiment untersucht.
Dafür fingen die Forscher im Vineyard Sound in Massachusetts mehrere männliche und weibliche Kalmare der Art Loligo pealeii. Diese zehnarmigen, rötlich gefärbten Kopffüßer kommen entlang der Ostküste Nordamerikas häufig vor, ihr Körper ist etwa so lang wie ein menschlicher Unterarm. Die eingefangenen Tiere wurden im Labor gehalten, bis sie sich paarten und die Weibchen mit der Ablage ihrer Eikapseln begannen. Kaplan und seine Kollegen sammelten die Eikapseln ein und legten sie in zwei verschiedene Meerwasserbecken. Eines wurde mit normaler Außenluft belüftet, der Säuregrad des Wassers entsprach daher dem im heutigen Nordatlantik. Das zweite Becken erhielt Luft mit einem erhöhten Kohlendioxid-Gehalt, das Wasser war dadurch drei Mal saurer als heute. Es entsprach damit in etwa dem Wert, wie er für Ende dieses Jahrhunderts für viele Meeresregionen vorhergesagt wird. Die Forscher beobachteten, wie lange die Larven zum Schlupf benötigten und vermaßen und untersuchten die Jungtiere in regelmäßigen Abständen.
Beeinträchtigungen in allen gemessenen Parametern
Das Ergebnis: In nahezu allen gemessenen Parametern hatte das saure Wasser deutliche Auswirkungen: Die Tintenfisch-Embryonen im saureren Wasser entwickelten sich langsamer und schlüpften später. “Das ist nicht gerade günstig, wenn man nur eine unbewegliche Masse Eier am Meeresboden ist, die leicht von Fischen gefressen werden kann”, sagt Mooney. Nach dem Schlüpfen blieb die Größe der Jungtiere zudem im Durchschnitt um fünf Prozent hinter der ihrer Artgenossen im weniger sauren Wasser zurück.
Aber nicht nur das: Die dem höheren pH-Wert ausgesetzten Kalmare entwickelten auch missgebildete Gleichgewichtsorgane. Diese bestehen normalerweise aus winzigen Kristallen aus Kalziumkarbonat, den sogenannten Statolithen. Anhand der Bewegungen dieser Kristalle in speziellen Sinneszellen erkennen die Tintenfische ihre Lage im Wasser und können so ihre Schwimmbewegungen steuern. Statt regelmäßiger, voll ausgebildeter Statolithen besaßen die im sauren Wasser aufgewachsenen Kalmare sehr viel kleinere Kristalle mit fehlgebildeter Struktur, wie die Forscher berichten. “Das spricht dafür, dass die Tiere bei hohen CO2-Werten Probleme haben, diese Kristalle zu bilden”, erklärt Mooney. Das saure Wasser löse das Kalziumkarbonat ständig wieder auf. Als Folge bekommen die Kalmare Probleme bei der Orientierung und werden daher leichte Beute für Raubfische.
Das Ergebnis des Experiments zeige, dass die Folgen der Meeresversauerung weitreichender sein könnten als bisher angenommen. “Tintenfische stehen im Zentrum des Meeresökosystems – nahezu alle Meerestiere ernähren sich von ihnen oder fressen sie”, erklärt Mooney. Wenn ihnen etwas zustoße, habe das Folgen auf vielen Ebenen der marinen Nahrungskette. So seien Kalmare eine wichtige Nahrung für Thunfische und andere kommerziell wichtige Fischarten. In vielen Regionen werden aber auch die Tintenfische selbst gefangen und als begehrte Meeresfrucht verkauft.