Das Universum dehnt sich immer weiter aus, doch wie schnell dies geschieht und welche Rolle dabei die Dunkle Energie spielt, ist strittig. Jetzt hat eines der umfangreichsten Projekte zur Messung der kosmischen Expansion, der Dark Energy Survey (DES), seine abschließenden Ergebnisse vorgelegt. Astronomen haben darin die Rotverschiebung und Entfernung von knapp 1500 Supernovae des Typs 1a mithilfe einer neuen, computergestützten Methode vermessen. Die Ergebnisse liegen innerhalb der Spannbreite des kosmologischen Standardmodells der Lambda Kalten Dunklen Materie (ΛCDM). Es gibt aber eine Abweichung, die offen lässt, ob die Dichte der Dunklen Energie wirklich konstant ist, wie es dieses Modell besagt.
Seit dem Urknall dehnt sich unser Universum immer weiter aus – das postulierte schon der “Vater” der Urknalltheorie, Georges Lemaître. Zunächst gingen Astronomen und Kosmologen allerdings davon aus, dass diese Expansion sich im Laufe der Zeit verlangsamen muss. Erst 1998 entdeckten zwei Forschungsteams bei der Vermessung der Distanz ferner Supernovae, dass dies nicht stimmen kann: Die kosmische Ausdehnung beschleunigt sich. Diese revolutionäre und kosmologisch bedeutsame Entdeckung brachte ihnen im Jahr 2011 den Physik-Nobelpreis ein. Gleichzeitig brachte sie die Physik in Erklärungsnöte, denn um eine beschleunigte Ausdehnung zu ermöglichen, muss es eine Energieform im Kosmos geben, die der Gravitation entgegenwirkt und als Triebkraft für die Expansion dient. Wie genau diese Energie beschaffen ist und wie sie sich verhält, ist allerdings bis heute ungeklärt. Gängiger Annahme nach macht diese “Dunkle Energie” aber rund 70 Prozent unseres Universums aus. Die Dunkle Energie bildet auch die Grundlage für das aktuelle kosmologische Standardmodell der sogenannten Lambda Kalten Dunklen Materie (ΛCDM).
DES: Supernovae als Messlatte der kosmischen Expansion
Das Problem jedoch: Ob sich die Expansion und Dunkle Energie wirklich so verhalten, wie es das ΛCDM vorgibt, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Einer der Gründe dafür sind Diskrepanzen bei der Messung der kosmischen Ausdehnungsrate. Um diese zu klären, wurde der Dark Energy Survey (DES) initiiert. Dieser Zusammenschluss von 400 Forschenden aus gut 25 Forschungseinrichtungen und zahlreichen Ländern hatte das Ziel, die Dunkle Energie und Dunkle Materie und die Expansion des Kosmos mit möglichst hoher Genauigkeit zu messen. Basis dafür bilden die Explosionen Weißer Zwerge in Supernovae des Typs 1a. Diese Supernovae haben eine gut standardisierbare Leuchtkraft und eignen sich daher besonders gut, um ihre Entfernung und mithilfe der Rotverschiebung das Tempo ihrer Bewegung von uns weg zu bestimmen – und damit die Expansion des Kosmos.
Mithilfe der Dark Energy Camera am Vier-Meter-Teleskop des Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile haben Astronomen im Rahmen des DES-Programms sechs Jahre lang ein Achtel des gesamten Himmels durchmustert und die Entfernungen und Rotverschiebungen von knapp 1500 Typ-1a-Supernovae kartiert. “Das ist eine massive Erweiterung im Vergleich zu den nur 52 Supernovae, die vor 25 Jahren genutzt wurden”, sagt Co-Autorin Tamara Davis von der University of Queensland in Australien. Die Astronomen nutzten dabei vier verschiedene Methoden, um die Sternexplosionen aufzuspüren und zu vermessen, darunter die bereits 1998 verwendete, aber auch ein neu entwickeltes Verfahren, das genaue Messungen nicht über das Lichtspektrum, sondern über photometrische Messungen der Lichtkurven ermöglicht. Lernfähige Algorithmen halfen bei der Klassifizierung und Auswertung.
Werte nahe am Soll, aber Spielraum für Neues
Jetzt haben die Astronomen der DES-Kollaboration ihre endgültigen Ergebnisse veröffentlicht. Sie liefern weitere Hinweise darauf, ob das kosmologische Standardmodell stimmt oder ob es im Universum noch Prozesse und Einflüsse gibt, die bisher nicht erkannt und beschrieben sind. In diesem Kontext entscheidend ist die Frage nach einer der Kernvoraussagen der gängigen Theorie: “Während sich das Universum ausdehnt, sinkt die Materiedichte”, erklärt DES-Sprecher Rich Kron von der University of Chicago. “Aber die Dichte der Dunklen Energie ist dem Modell zufolge eine Konstante. Das bedeutet, dass ihr Anteil zunehmen muss, wenn sich das Volumen des Kosmos erhöht.” Physikalisch ausgedrückt muss der vom ΛCDM -Modell vorgegebene Parameter für die Dichte der Dunklen Energie w damit bei 1 liegen.
Was aber haben die DES-Messungen ergeben? Auf Basis der Supernova-Messungen allein kamen die Astronomen auf einen Wert von w = -0,80 ± -0,18 – und damit etwas weniger als -1. Bei Kombination der Messergebnisse mit denen von drei weiteren Surveys, darunter der Vermessung der Kosmischen Hintergrundstrahlung mit dem Planck-Satelliten, liegen die Werte für die Dichte der Dunklen Energie aber mit weniger als zwei Standardabweichungen im Bereich von -1. “w ist nicht exakt gleich 1 aber nahe genug dran, um mit dem Modell konsistent zu sein”, erklärt Davis. Doch diese leichte Diskrepanz sei spannend, denn sie könnte auch noch verborgene Mechanismen hindeuten. “Das einfachste Modell der Dunklen Energie, ΛCDM, passt nicht perfekt. Es ist zwar nicht so weit entfernt, dass wir es widerlegen. Aber die Ergebnisse liefern erste faszinierende Hinweise darauf, dass sich die Dunkle Energie doch im Laufe der Zeit verändern könnte. Möglicherweise benötigen wir eine komplexere Erklärung für die Vorgänge.”
Noch reichen die Resultate nicht aus, um zu zeigen, wie diese Erklärung aussehen könnte und ob sich die Dichte oder Einflussstärke der Dunklen Energie tatsächlich im Laufe der Universums-Entwicklung verändert. Dennoch liefern die Ergebnisse des Dark Energy Survey nun neue, präzisere Daten und Grenzen für wichtige kosmologische Parameter. “Diese Daten sind nun der Goldstandard der Supernova-Kosmologie und werden dies noch einige Zeit lang bleiben”, sagt Co-Autor Dillon Brout von der Boston University.
Quelle: DES Collaboration, 243rd meeting of the American Astronomical Society, Astrophysical Journal (submitted), doi: 10.48550/arXiv.2401.02929