Ein astronomischer Elefanten-Tango im Visier: Forscher berichten über zwei eng miteinander verbundene Riesensterne, die Material austauschen und den Berechnungen zufolge auf ein spannendes Schicksal zusteuern. Demnach werden sie schon bald Schwarze Löcher bilden, die sich dann in ferner Zukunft auf bombastische Weise vereinigen könnten. Die Kollision wird dabei so gewaltig sein, dass Gravitationswellen das All erschüttern werden.
Es war ein Paukenschlag in der Geschichte der Astronomie: Im Jahr 2016 gelang es Wissenschaftlern erstmals, Gravitationswellen nachzuweisen, deren Existenz bis dahin nur reine Theorie war. Es handelt sich dabei um Verzerrungen der Raumzeit, die durch die Kollision extrem massereicher Himmelskörper wie Schwarzen Löchern verursacht werden können. Seither haben Astronomen mehrere Fälle der kosmischen Beben erfasst und das Thema steht weiterhin intensiv im Fokus der Astronomie. Ein fragender Blick richtet sich dabei auf Systeme, die zu den extremen Kollisionen führen.
„Dank der Gravitationswellendetektoren Virgo und LIGO wurden in den letzten Jahren Dutzende verschmelzender Schwarzer Löcher entdeckt. Bisher haben wir jedoch noch keine Sterne beobachtet, die zu Schwarzen Löchern dieser Größe kollabieren“, sagt Erst-Autor Matthew Rickard vom University College London. Gemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Pauli von der Universität Potsdam nahm er deshalb ein vielversprechendes Kandidaten-System ins Visier: Das Doppelsternsystem SSN 7 befindet sich in einer Nachbargalaxie unserer Milchstraße – in der etwa 200.000 Lichtjahre entfernten Kleinen Magellanschen Wolke.
Kosmisches Duo mit spezieller Beziehung
Um genauere Informationen über das aus zwei sehr massiven Sternen bestehende Duo zu bekommen, nutzten die Astronomen Daten von verschiedenen Teleskopen am Boden und im All. Sie analysierten dabei die spektroskopischen Merkmale der vom Binärsystem ausgehenden Strahlung in verschiedenen Wellenlängenbereichen. Die Ergebnisse ließen Rückschlüsse auf die Radialgeschwindigkeit der Sterne zu, die angibt, wie schnell sie sich zu uns hin oder von uns wegbewegen. Zudem konnten die Forscher genauere Hinweise auf die Massen, die Helligkeiten, Temperaturen und Umlaufbahnen der beiden Himmelskörper gewinnen. Die Informationen implementierten sie dann in ein Entwicklungsmodell, das die Zukunft des Doppelsternsystems beleuchtet.
Wie Rickard und Pauli berichten, besteht das System aus zwei kosmischen Elefanten: einem 55 Sonnenmassen schweren Stern und seinem ebenfalls gewichtigen Partner. Er ist zwar mit 32 Sonnenmassen etwas kleiner, brennt aber deutlich heißer als sein größerer Begleiter. Sie besitzen einen gemeinsamen Schwerpunkt und umkreisen sich einmal alle drei Tage, berichten die Astronomen. Dabei kommt es zu einer spannenden Wechselwirkung: Wie aus den spektroskopischen Analyseergebnissen hervorgeht, saugt der größere Stern Material von der Hülle des kleineren ab. „Es handelt sich damit also um ein Kontakt-Doppelsternsystem und zwar das massivste, was bisher beobachtet wurde“, sagt Pauli.
Bombastisches Finale
Wie die Forscher weiter berichten, zeichnete sich in den Modellrechnungen auf der Grundlage der Daten ein spannendes Schicksal des Duos ab. Aufgrund seiner Merkmale wird der kleinere Partner demnach in nur 700.000 Jahren als erster zu einem Schwarzen Loch kollabieren. Dieser finstere Himmelskörper wird dann beginnen, Material von dem Begleiter abzusaugen, der zuvor an ihm gezehrt hat. „Er wird sich gleichsam an seinem Partner rächen“, so Rickard.
Zum weiteren Schicksal des Systems erklärt Pauli: „Nach nur 200.000 Jahren – einem astronomischen Augenblick – wird der Begleitstern ebenfalls zu einem Schwarzen Loch kollabieren. Anschließend werden die beiden einander weiterhin für einige Milliarden Jahre umkreisen. Langsam werden sie durch die Abgabe von Gravitationswellen dabei Energie verlieren, bis sie sich immer schneller im Sekundentakt umkreisen. In 18 Milliarden Jahren werden sie dann miteinander verschmelzen, während sie über Gravitationswellen enorme Energiemengen freisetzen“.
Abschließend sagt Rickard: „Die Entdeckung von Sternen auf diesem Entwicklungspfad so nah an unserer Galaxis bietet uns eine hervorragende Gelegenheit, noch mehr über die Entstehung dieser Systeme zu erfahren“, so der Astronom.
Quelle: Universität Potsdam, Fachartikel: Astronomy & Astrophysics, doi: 10.1051/0004-6361/202346055