Video: Eine Zeitrafferaufnahme von R Doradus zeigt, wie heiße Blasen – 75-mal so groß wie die Sonne – auf der Oberfläche des Roten Riesensterns auftauchen und absinken. © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/W. Vlemmings et al.
Ähnlich wie unsere brodelnde Sonne wirft auch ein ferner Gigant Blasen: Forschende haben erstmals die Konvektions-Bewegungen auf der Oberfläche eines fernen Sterns „gefilmt“. Die Aufnahmen des ALMA-Teleskops dokumentierten dabei die Veränderungen der Sternoberfläche des Roten Riesen R Doradus im Verlauf eines Monats. Dabei ist die Entwicklung heißer Blasen zu erkennen, die 75-mal so groß sind wie die Sonne. Sie erscheinen auf der Oberfläche und sinken anschließend schneller als erwartet wieder in das Innere des aufgeblähten Sterns zurück, berichten die Forschenden.
Das Grundprinzip ist wie bei einer Lava-Lampe: Am Grund wird Material erhitzt, dehnt sich dabei aus und steigt nach oben. Dort kühlt es sich dann ab, verdichtet sich und sinkt wieder nach unten. Im Fall der Sterne wird dieser Konvektion genannte Prozess durch die Hitzeentwicklung bei der Kernfusion im Inneren angetrieben. Die Dynamik sorgt dabei für eine Durchmischung des Sternmaterials. Der Konvektion kommt damit eine große Bedeutung bei den verschiedenen Stadien der Sternentwicklung zu. Die Effekte dieses thermischen Prozesses lassen sich bei unserer Sonne gut beobachten: Ihre Oberfläche brodelt – die aufsteigende Materie verursacht an ihrer Oberfläche sogenannte Granulen. Diese blasenartigen Strukturen besitzen einen durchschnittlichen Durchmesser von 1500 Kilometern und existieren jeweils nur wenige Minuten.
Ein brodelnder Riese
Was Anzeichen von Konvektion bei fernen Sternen betrifft, wurden sie bisher nur statisch nachgewiesen: Es gelang bereits, Blasen-Strukturen bei einem Roten Riesen abzubilden, die als riesige Pendants zu den Granulen unserer Sonne interpretiert wurden. Der Nachweis von Konvektions-Bewegungen fehlte dagegen bisher. Doch der neue Detail-Blick auf das Phänomen hat nun auch Hinweise auf in seine Dynamik geliefert. Die Ergebnisse der Forschenden um Wouter Vlemmingsvon der Chalmers-Universität für Technologie in Göteborg basieren dabei auf Daten des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile.
Im Fokus dieses Teleskopsystems stand der Stern R Doradus, der sich 180 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Schwertfisch befindet. Es handelt sich um einen sogenannten Roten Riesen. Dieses Stadium der Entwicklung erreichen Sterne wie unsere Sonne, wenn in der zweiten Stufe des Kernfusionsprozesses Heliumkerne zu schwereren Elementen verschmelzen. Die dabei freigesetzte Hitze führt zu einer starken Ausdehnung des Sterns – wie im Fall von R Doradus: Er besitzt etwa die Masse der Sonne, hat sich aber auf das 350-Fache ihres Durchmessers aufgebläht. Seine Größe und Nähe zur Erde machen ihn zu einem idealen Ziel für detaillierte Beobachtungen, erklären die Forschenden.
Erstmals Dynamik erfasst
Wie die Astronomen berichten, konnten sie aus den Beobachtungsdaten im Rahmen von 30 Tagen im Sommer 2023 teils hochauflösende Verlaufsbilder der Oberfläche von R Doradus rekonstruieren. Am klarsten waren die Strukturen dabei am 18. und 27. Juli sowie am 2. August erkennbar. „Wir hätten nie erwartet, dass die Daten von so hoher Qualität sind, dass wir Details der Konvektion auf der Sternoberfläche sehen können“, sagt Vlemmings. Die Pendants zu den Granulen unserer Sonne besitzen im Fall des aufgeblähten Roten Riesen demnach gigantische Ausmaße: Die heißen Materieblasen sind 75-mal so groß wie die Sonne, berichten die Forschenden.
Die Abbildungen zu den unterschiedlichen Zeitpunkten ermöglichten es dann, den Konvektions-Prozess wie in einem Video darzustellen. „Mit ALMA konnten wir nun nicht nur die Granulen des Sterns direkt sehen, sondern auch zum ersten Mal erfassen, wie schnell sie sich bewegen“, sagt Co-Autor Theo Khouri von der Chalmers-Universität. Das Team stellte dabei Geschwindigkeiten von bis zu 20 Kilometern pro Sekunde fest. Insgesamt scheinen sich die Granulen von R Doradus in einem einmonatigen Zyklus zu entwickeln, berichten die Forschenden. „Es ist faszinierend, dass wir jetzt Details auf der Oberfläche von fernen Sternen direkt abbilden und physikalische Vorgänge beobachten können“, sagt Co-Autor Behzad Bojnodi Arbab von der Chalmers-Universität.
Dem Team zufolge waren die Ergebnisse allerdings überraschend: Der Konvektions-Prozess läuft bei dem Roten Riesen demnach schneller ab, als es auf der Grundlage von Hochrechnungen der bekannten Dynamiken in der Sonne zu erwarten gewesen wäre. „Wir wissen bisher nicht, woher der Unterschied kommt. Es scheint, dass sich die Konvektion mit zunehmendem Alter eines Sterns auf eine Weise verändert, die wir bislang nicht verstehen“, sagt Vlemmings.
Quelle: European Southern Observatory (ESO), Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07836-9