Einblick in die Speisekarte eines Weißen Zwergs: Astronomen haben die Signaturen von Trümmern in der Atmosphäre eines ausgebrannten Sternenrests entdeckt, die offenbar sowohl aus dem inneren als auch aus dem äußeren Bereich des einstigen Systems stammen. Der Weiße Zwerg hat von Metall und Gestein geprägtes Material verschlungen sowie Substanzen, wie sie für eisige Himmelskörper typisch sind. Die Ergebnisse verdeutlichen die chaotischen Prozesse am Ende der stellaren Entwicklungsgeschichte und geben Hinweise auf die Zusammensetzung von Himmelskörpern in noch intakten Planetensystemen, erklären die Wissenschaftler.
Geburt, Entwicklung und Tod kennzeichnen auch die Geschichte der Sterne und ihrer Planetensysteme. Was die Kategorie unsere Sonne betrifft, gehen Astronomen davon aus, dass sie sich am Ende ihrer aktiven Zeit zu einem Roten Riesen aufblähen wird. Anschließend stoßen die sterbenden Sterne dann ihre äußeren Hüllen ab. Am Ende bleibt dann nur noch ein kompakter, schwach leuchtender Sternenrest übrig, in dem keine Kernfusion mehr stattfindet – ein Weißer Zwerg. Man geht davon aus, dass im Rahmen dieses Prozesses viele Himmelskörper des einstigen Planetensystems aus der Bahn geworfen und zerstört werden. Die Überreste umkreisen dann Weiße Zwerge und fallen nach und nach auf ihre Oberfläche.
Signaturen kannibalistischer Mahlzeiten
Diese Geschichte spiegelt sich nun in Beobachtungsdaten des Weißen Zwergs mit der Bezeichnung G238-44 wider, berichten Astronomen auf dem 240. Kongress der American Astronomical Society in Pasadena. Die Ergebnisse basieren auf der spektroskopischen Analyse von Archivmaterial des Hubble-Weltraumteleskops der NASA und anderer NASA-Observatorien. Anhand bestimmter Signaturen des Lichts, das uns von dem Weißen Zwerg erreicht, sind Rückschlüsse auf Elemente in seiner Atmosphäre möglich, die von Material stammen, das er sich kürzlich einverleibt hat.
Auf diese Weise konnte bei anderen Weißen Zwergen bereits zuvor die Spur des “stellaren Kannibalismus” aufzeigt werden. Doch die neuen Daten erweitern nun das Spektrum deutlich: Die Wissenschaftler haben die Signaturen von Elementen entdeckt, die darauf hindeuten, dass G238-44 metallische Stoffe und Gesteinsmaterialien aufgenommen hat, wie sie für Himmelskörper des inneren Systems typisch sind, aber auch von Materie, wie sie gefrorene Körper aufweisen, die im Kuipergürtel unseres äußeren Sonnensystems zu finden sind. “Wir haben noch nie gesehen, dass diese beiden Arten von Objekten gleichzeitig auf einem Weißen Zwerg akkretieren”, sagt Co-Autor Ted Johnson von der University of California in Los Angeles. Sein Kollege Benjamin Zuckerman ergänzt: “Die Häufigkeiten der Elemente, die wir auf diesem Weißen Zwerg sehen, legen nahe, dass sie teils von einem Gesteins-Mutterkörper stammen und teils von einem, der von gefrorenen flüchtigen Substanzen geprägt ist“.
Futter von nah und fern
Wie die Forscher erklären, ist vor allem der Nachweis von Eisen in hohen Mengen ein Hinweis auf Bruchstücke von metallischen Kernen terrestrischer Planeten wie Erde, Venus, Mars und Merkur. Die unerwartet hohe Stickstoffhäufigkeit ließen die Forscher hingegen auf das Vorhandensein von eisigen Körpern schließen. “Die beste Übereinstimmung für unsere Daten war eine fast zwei zu eins Mischung aus merkurähnlicher Substanz und kometenähnlichem Material, das aus Eis und Staub besteht”, sagt Johnson. “Eisenmetall und Stickstoffeis deuten dabei auf völlig unterschiedliche Bedingungen bei der Entstehung hin. Es gibt kein bekanntes Objekt in unserem Sonnensystem, das so viel von beidem enthält”, erklärt der Astronom.
Die Studie verdeutlicht damit, wie intensiv ein Planetensystem durch die chaotischen Prozesse am Ende der Existenz eines Sterns zerrüttet und durcheinander geworfen werden kann. Dadurch kann Material aus seinem einstigen Nahbereich sowie aus den Kuipergürtel-ähnlichen Regionen auf dem Speiseplan eines Weißen Zwergs stehen. Wie die Wissenschaftler betonen, können Untersuchungen des Akkretionsmaterials aber auch Hinweise auf frühere Phasen der Entwicklung liefern: “Sie können zu einem besseren Verständnis von Planetensystemen führen, die noch intakt sind”, sagt Johnson.
Die aktuellen Ergebnisse sind dabei besonders vor dem Hintergrund interessant, dass kleinen eisigen Objekte eine wichtige Rolle bei der „Bewässerung“ von Gesteinsplaneten zugesprochen wird. Im Fall unseres Sonnensystems nimmt man an, dass Kometen und Asteroiden vor Milliarden von Jahren Wasser auf die Erde brachten und damit die Voraussetzungen für das Leben schufen, wie wir es kennen. In diesem Zusammenhang deutet die vermutete Zusammensetzung der Himmelskörper, die auf den Weißen Zwerg G238-44 regnen, nun darauf hin, dass entsprechende Reservoirs in den Planetensystemen des Weltalls weit verbreitet sein könnten, sagt Johnson.
Quelle: NASA