Das Innenleben unseres Nachbarplaneten Mars und im Speziellen seines Gesteinsmantels ist erst in Teilen geklärt. Jetzt liefern Daten der NASA-Raumsonde Mars InSight neue Informationen darüber, wie der Marsmantel beschaffen ist und welche Temperaturen in ihm herrschen. Durch Auswertung von seismischen Daten der Sonde haben Planetenforscher ermittelt, dass das Mantelmineral Olivin im Marsinneren erst in 1006 Kilometer Tiefe in kompaktere Varianten umgewandelt wird. Diese Lage der Übergangszone legt nahe, dass der Marsmantel relativ kühl und zähfließend ist und mehr Eisen enthält als der irdische Mantel. Der Übergang von Olivin zu kompakteren Mineralformen erstreckt sich zudem über einen breiteren Tiefenbereich als bei der Erde.
Obwohl der Mars unser Nachbarplanet ist und der Erde in vielem ähnelt, gibt es doch einige entscheidende Unterschiede. Anders als die Erde hat er keine Plattentektonik und auch ein globales Magnetfeld fehlt dem Roten Planeten. Da beide Phänomene eng mit der Beschaffenheit von Gesteinsmantel und metallischem Kern eines Planeten zusammenhängen, liegt nahe, dass es bei Mars und Erde in dieser Hinsicht Unterschiede geben muss. Doch wie das Innere des Mars strukturiert ist, war lange unbekannt. Erst durch die im November 2018 auf der Marsoberfläche gelandete NASA-Raumsonde Mars InSight hat sich dies geändert. Ihr Seismometer hat hunderte schwacher Marsbeben eingefangen, deren Wellenverlauf Planetenforschern wertvolle Informationen über das marsianische Innenleben geliefert haben. So ist der flüssige Kern des Planeten größer und weniger dicht als angenommen, dafür besitzt der Mars keinen unteren Mantel – er ist zu klein, um den nötigen Druck zu erreichen. Die Kruste des Mars könnte zudem aus zwei oder sogar drei verschiedenen Unterschichten bestehen.
Marsbeben als Informationsquelle
Offen blieb jedoch bisher die Frage, in welcher Tiefe das bei Mars und Erde dominierende Mantelmineral Olivin in kompaktere Kristallformen übergeht. Im Erdmantel liegt diese Übergangszone in 410 Kilometer Tiefe und markiert den Wandel von Olivin zum Mineral Wadsleyit. Weil der Mars kleiner ist, werden die dafür nötigen Temperaturen und Drücke erst in größerer Tiefe erreicht. Wo genau die marsianische Übergangszone liegt, hängt dabei von der Wärme und Zusammensetzung der Mantelgesteine ab.
“Die Tiefe der mit ihr verknüpften seismischen Diskontinuität ist daher eine Schlüsselinformation zum thermalen Zustand des Planeten”, erklären Quancheng Huang von der University of Maryland und seine Kollegen. Der Wassergehalt des Marsmantels beeinflusst zudem, wie schmal diese Übergangszone ist, und damit auch, wie scharf abgegrenzt die seismische Diskontinuität erscheint.
Für ihre Studie haben Huang und sein Team die seismischen Daten von fünf Marsbeben analysiert, die sich 3400 bis 4400 Kilometer von der Sonde Mars InSight entfernt auf dem Mars ereignet haben. Durch spezielle Analysen der Seismometerdaten für die verschiedenen Wellenanteile ermittelten sie, in welcher Tiefe des Marsmantels die seismischen Wellen reflektiert werden und welcher Form. Dadurch konnten sie die Lage der seismischen Diskontinuität eingrenzen. Ergänzend dazu entwickelten sie digitale Modelle des Marsinneren, über die sie die Wellenmerkmale bestimmten Eigenschaften des Marsmantels zuordnen konnten.
Marsmantel ist kühler und zäher
Die Analysen ergaben, dass die seismischen Wellen der Marsbeben in 1006 Kilometer Tiefe von einer Diskontinuität reflektiert und in drei Wellenanteile aufgetrennt werden. Das legt nahe, dass die Übergangsschicht von Olivin zu kompakteren Mineralformen in dieser Tiefe liegen muss, wie die Wissenschaftler erklären. Mithilfe der ergänzenden Modelle ermittelten sie daraus, dass der Marsmantel in dieser Tiefe eine Temperatur von 1605 Kelvin – 1331 Grad Celsius – haben muss. Daraus wiederum leiten die Forscher ab, dass Mars und Erde zwar eine ähnliche Wärmeleitfähigkeit und Potenzialtemperatur haben, der Marsmantel aber im Vergleich zur Marskruste 10- bis 15-mal weniger hitzeproduzierende Elemente enthält. Dadurch ist er kühler als bisher angenommen und relativ zäh. Den Modellen zufolge leitet er heute 21 bis 24 Milliwatt pro Quadratmeter Wärmeenergie an die Oberfläche.
Wie aus den Daten hervorgeht, ist die Übergangszone des Marsmantels zudem zwischen 20 und 100 Kilometer dick. “Dies deutet darauf hin, dass sich der Postolivin-Übergang beim Mars über einen breiteren Tiefenbereich erstreckt als bei der scharf abgegrenzten 410-Kilometer-Diskontuität der Erde, die weniger als zehn Kilometer dick ist”, berichten Huang und seine Kollegen. Daraus schließen sie, dass der Gesteinsmantel des Mars stärker mit Eisen angereichert ist als der Erdmantel. Im Gestein gebundenes Wasser spiele dagegen für die Lage und Dicke der Übergangszone wahrscheinlich keine große Rolle, so die Planetenforscher. Die Messdaten der Marssonde tragen damit dazu bei, die chemische und thermische Struktur des marsianischen Mantels zu erhellen. Zwar stammen die Messungen nur von einem Standort und müssen daher nicht unbedingt für den ganzen Planeten aussagekräftig sein. “Aber wir erwarten nicht, dass der Marsmantel sich an dieser Stelle signifikant vom dem im Rest des Planeten unterscheidet”, so das Team.
Quelle: Quancheng Huang (University of Maryland, College Park) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2204474119