Metalle wie Eisen und Nickel benötigen normalerweise hohe Temperaturen, um zu verdampfen. Doch jetzt haben Astronomen gasförmiges Eisen und Nickel in der Hülle gleich mehrerer sonnenferner Kometen nachgewiesen. Sie gasen in geringen Mengen aus dem Kometenkern aus, obwohl die Temperaturen dort nur zwischen minus 90 und plus 60 Grad liegen. Ein zweites Team hat diese gasförmigen Metalle auch in der Hülle des interstellaren Kometen 2l/Borisov entdeckt. Diese überraschenden Funde wecken nun die Frage, wie dieses Eisen und Nickel trotz Kälte sublimieren kann.
Eisen und Nickeln gehören zu den häufigsten Metallen in unserem Sonnensystem. Sie finden sich nicht nur im Kern der Erde und anderer Planeten, sondern auch in Meteoriten, Meteoren und interplanetarem Staub. Meist liegen diese Metalle in Form fester Verbindungen vor. Durch Sublimation gasförmig werden sie nur bei starkem Erhitzen, wie beispielsweise in den Atmosphären einiger sehr heißer Exoplaneten oder wenn Kometen sehr nahe an der Sonne vorbeifliegen. Der erste Nachweis von neutralem Nickeldampf in der Koma eines Kometen erfolgte in den 1970er Jahren, als der Komet Ikeya–Seki (C/1965 S1) im Abstand von 13 bis 30 Sonnenradien an unserem Stern vorüberflog. Dass sowohl Eisen- als auch Nickelverbindungen in Kometenkernen präsent sind, belegten zudem die Ergebnisse der Raumsonde Stardust, die 2006 erste Staubproben vom Kometen 81P/Wild zur Erde zurückbrachte.
Gasförmiges Eisen und Nickel um eiskalte Kometen
Um mehr über die Zusammensetzung von Kometen und ihrer Gashülle zu erfahren, wertet ein Astronomenteam um Jean Manfroid von der Universität Lüttich in Belgien schon seit fast 20 Jahren regelmäßig Beobachtungsdaten zu Kometen aus, die am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile gesammelt wurden. Dabei analysieren sie vor allem das Spektrum des Lichts, das von den Kometen ausgeht. Denn in ihm hinterlässt jedes chemische Element eine einzigartige Signatur in Form von Spektrallinien. Jedoch waren dabei im Spektrum der Kometenhüllen nie Linien von gasförmigen Eisen- oder Nickelatomen aufgefallen – bis jetzt. Als Manfroid und sein Team sich die Spektren von 20 sonnenfernen Kometen noch einmal näher anschauten, entdeckten sie im blauen Bereich des Spektrums mehrere schwache Spektrallinien, deren Merkmale der von neutralem Eisen und Nickel entsprachen.
“Wir waren sehr überrascht, Eisen- und Nickelatome in der Atmosphäre aller etwa 20 Kometen zu finden, die wir in den letzten zwei Jahrzehnten beobachtet haben, und sogar in solchen, die sich in der kalten Umgebung des Weltraums weit von der Sonne entfernt befinden”, sagt Manfroid. Die Dichte der Metallatome war in der Nähe des Kometenkerns am höchsten und nahm dann mit wachsender Entfernung ab. Insgesamt aber war die Menge der nachgewiesenen Atome sehr gering: Auf rund 100 Kilogramm ausgasenden Wasserdampf kommen nur ein Gramm Eisen und etwa genauso viel Nickel. Aber selbst in solch winzigen Mengen ist die Entdeckung der gasförmigen Metalle überraschend, wie die Forscher erklären. Denn die Temperaturen auf den Oberflächen der beobachteten Kometen lagen zwischen eisigen minus 93 Grad Celsius und etwa 60 Grad plus. Bei diesen Temperaturen dürften Eisen und Nickel normalerweise nicht sublimieren und gasförmig werden.
Nickeldampf auch um 2l/Borisov
Eine zweite Studie legt nahe, dass die Kometen in unserem Sonnensystem damit offenbar kein Einzelfall sind: Piotr Guzik und Michal Drahus von der Jagiellonen-Universität in Krakau haben die Spektralsignatur von Nickeldampf auch in der Koma des interstellaren Kometen 2l/Borisov nachgewiesen. Sie hatten den am 31. August 2019 entdeckten Kometen Ende Januar 2020 mehrere Nächte lang ebenfalls mit einem Spektrographen am Very Large Telescope der ESO beobachtet. Zu diesem Zeitpunkt war 2l/Borisov bereits 2,3-mal so weit von der Sonne entfernt wie unsere Erde und auf seiner Oberfläche herrschten Temperaturen von rund minus 93 Grad. “Zunächst fiel es uns schwer zu glauben, dass in 2I/Borisov so weit von der Sonne entfernt wirklich atomares Nickel vorhanden sein könnte”, berichtet Guzik. “Es bedurfte zahlreicher Tests und Überprüfungen, bis wir uns schließlich überzeugen konnten.” Das deutet darauf hin, dass Kometen verschiedener Planetensysteme noch mehr gemeinsam haben als angenommen. „Jetzt stellen Sie sich vor, dass die Kometen unseres Sonnensystems echte Verwandte in anderen Planetensystemen haben – wie cool ist das denn?“, sagt Drahus.
Diese Entdeckungen wecken aber auch die Frage, woher das gasförmige Eisen und Nickel in den Gashüllen der Kometen kommt – und wie es bei so niedrigen Temperaturen ausgasen kann. Einen möglichen Hinweis liefert das Verhältnis von Eisen und Nickel in der Koma der eisigen Brocken: Während in Meteoriten typischerweise zehnmal mehr Eisen als Nickel vorkommt, fanden Manfroid und sein Team beide Metalle zu fast gleichen Anteilen. Daraus schließen sie, dass die beiden Metalle auf der Kometenoberfläche wahrscheinlich nicht als Metalllegierung oder Sulfid vorlagen, sondern möglicherweise in einer organischen Komplexverbindung wie einem Metallcarbonyl. Darauf könnte auch der relativ hohe Anteil von Kohlenmonoxid und Kohlendioxid-Radikalen im Spektrum einiger Kometen hindeuten. “Wenn diese Verbindungen in Kometen präsent sind, dann könnten diese Carbonyle, anders als Silikate und Sulfide, schon bei niedrigen Temperaturen und weit von der Sonne entfernt sublimieren”, erklären die Forscher.
Ob es auf den Kometen aber tatsächlich Carbonyle gibt und ob sie die Quelle der gasförmigen Metalle sind, muss erst noch geklärt werden. Die Astronomen hoffen, dass dabei neue Teleskope und Instrumente wie das im Bau befindliche Extremely Large Telescope der ESO helfen werden.
Quelle: Nature, Jean Manfroid (Université Liège, Lüttich) et al., doi: 10.1038/s41586-021-03435-0; Guzik und Drahus (Jagiellonian University, Krakau), doi: 10.1038/s41586-021-03485-4