Ein galaktischer Kern im Visier: Die bisher detaillierteste Beobachtung eines Plasmajets aus der Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs enthüllt komplexe Verdrehungen dieser gigantischen Strukturen in ihrem Ursprungsbereich. Der scharfe Einblick ist dabei einem virtuellen Kombi-Riesen-Teleskop zu verdanken, das aus der Verknüpfung mehrerer Einheiten entstand. Die Entdeckungen werfen nun neues Licht auf die Entstehung und Entwicklung der geheimnisvollen kosmischen Jets der Quasare und Blazare, sagen die Astronomen.
Sie gehören zu den hellsten Objekten des Kosmos: Bei den Quasaren handelt es sich um ferne Galaxienkerne, in denen zentrale, supermassereiche Schwarze Löcher beim Verschlingen umliegender Materie enorme Energiemengen freisetzen. Bei einigen von ihnen ist dabei auch ein weit ins All hinausreichender Plasmajet zu erkennen. Dabei handelt es sich um Materie, die in Form eines Strahls fast mit Lichtgeschwindigkeit vom „Teller“ des gefräßigen Schwarzen Lochs weggeschleudert wird. Spezielle Versionen dieser Quasare mit Plasmastrahl werden dabei wiederum als Blazare bezeichnet. Bei ihnen ist der Jet durch seine günstige Ausrichtung von der Erde aus besonders deutlich zu erkennen.
Ein Blazar im Blick eines virtuellen Mega-Teleskops
Im Visier der Studie des internationalen Forscherteams um Antonio Fuentes vom Institut für Astrophysik von Andalusien (IAA-CSIC) in Granada, stand dabei nun der Blazar mit der Bezeichnung 3C 279. Im Gegensatz zu bisherigen Untersuchungen glückte den Astronomen nun erstmals ein detaillierter Blick auf die Strukturen im Bereich der Entstehung des Plasmajets in der Nähe des supermassereichen Schwarzen Lochs. Die Daten lieferte dabei eine ganz besondere astronomische Konstruktion, die durch die Weltraum-Interferometer-Mission „RadioAstron“ möglich wurde.
Das entscheidende Element bildete dabei ein bis 2019 aktives Weltraumteleskop in einer Umlaufbahn um die Erde. Seine Daten wurden für die Studie mit denen von 23 bodengebundenen Radioteleskopen kombiniert.
So ergab sich ein virtuelles Teleskop mit einem effektiven Durchmesser von etwa 100.000 Kilometern. Die entsprechende Auflösungsleistung ermöglichte den Wissenschaftlern dann den Detailblick auf 3C 279. „Dank der Weltraummission RadioAstron konnten wir das bisher höchstaufgelöste Bild vom Inneren eines Blazars erhalten, das es uns jetzt ermöglichte, die innere Struktur des Jets zum ersten Mal detailliert zu beobachten“, sagt Fuentes.
Helixförmige Filamente aufgedeckt
Wie das Team berichtet, zeigte sich in diesem Bereich erstmals ein spezielles Muster: Der Jet besteht demnach aus mindestens zwei miteinander verdrillten Plasmasträngen, die sich weit ins All hinaus erstrecken. „Das ist das erste Mal, dass wir solche Filamente so nahe am Ursprung des Jets gesehen haben, und sie verraten uns mehr darüber, wie das Schwarze Loch das Plasma formt“, sagt Co-Autor Eduardo Ros vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Sein Kollege Andrei Lobanov ergänzt dazu: „Ähnliche spiralförmige Filamente wurden zwar auch schon früher in extragalaktischen Jets beobachtet, allerdings auf viel größerer Skala, sodass man annahm, dass sie aus verschiedenen Teilen der Strömung resultieren, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen und gegeneinander scheren“, so Lobanov.
Doch offenbar sind die Verdrehungen nicht grundsätzlich auf nachträgliche Einflüsse zurückzuführen: Es wird nun deutlich, dass Blazare keine geradlinigen und gleichmäßigen Plasmastrahlen von sich geben. Aus den spiralförmigen Strukturen im Ursprungsbereiche geht hingegen hervor, dass das Plasma durch Magnetfeld-Kräfte um das Schwarze Loch herum in einer speziellen Weise beeinflusst wird. Dabei spielen offenbar bestimmte Instabilitäten eine Rolle, sagen die Astronomen. „Ein besonders faszinierender Aspekt unserer Ergebnisse ist, dass sie auf das Vorhandensein eines spiralförmigen Magnetfeldes hindeuten, das den Jet einschließt“, sagt Co-Autor Guang-Yao Zhao vom IAA-CSIC. „Es könnte also das Magnetfeld sein, das sich im Uhrzeigersinn um den Jet in 3C 279 dreht, mit dem das Plasma des Jets, das sich mit 0,997-facher Lichtgeschwindigkeit bewegt, gelenkt und geleitet wird“, erklärt der Wissenschaftler.
Dem Astronomen-Team zufolge sind allerdings nun genauere theoretische Modelle nötigt, um zu beleuchten, wie sich die helixförmigen Filamente so nahe am Ursprung des Jets bilden und entwickeln können. Abschließend sagt Lobanov dazu: „Mit dieser Studie betreten wir ein völlig neues Terrain, in dem diese Filamente tatsächlich mit den kompliziertesten Prozessen in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs, das den Jet erzeugt, in Verbindung gebracht werden können“, so der Wissenschaftler.
Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Fachartikel: Nature Astronomy doi: 10.1038/s41550-023-02105-7