Gravitationsgiganten Seite an Seite: Astronomen haben zwei supermassereiche Schwarze Löcher entdeckt, die sich im neuen Zentralbereich eines Paares verschmelzender Galaxien gemeinsam Materie einverleiben. Sie trennt dabei nur eine astronomisch geringe Distanz von 750 Lichtjahren. Solche binären Systeme aus Schwarzen Löchern könnten häufiger vorkommen als bisher gedacht, sagen die Wissenschaftler.
Sie sind die gigantischen Heimatstrukturen der Sterne im Universum: Wie Galaxien aufgebaut sind, sich bildeten und wie sie sich fortentwickeln, gehört zu den spannendsten Fragen in der Astronomie. Man geht davon aus, dass Kollisionsprozesse eine wichtige Rolle in ihren Entwicklungsgeschichten gespielt haben. Auch unsere Milchstraße ist wohl durch Verschmelzungen mit anderen Galaxien entstanden und auf solch ein Ereignis steuert sie offenbar auch erneut zu: Astronomischen Prognosen zufolge wird die Milchstraße in etwa 4,5 Milliarden Jahren mit der Andromedagalaxie verschmelzen. Irgendwann wird es dabei wohl auch zu einer Fusion der supermassereichen Schwarzen Löcher kommen, die in den Zentren der Galaxien sitzen.
Einblick in eine späte Phase
Bislang haben Astronomen meist nur die frühesten Stadien der Galaxienverschmelzung untersucht. Doch ein internationales Astronomenteam hat nun einen späten Fall ins Visier genommen: Man geht davon aus, dass UGC4211 ein Gebilde in der Endphase einer Verschmelzung zweier Galaxien darstellt. Wie die Wissenschaftler erklären, handelt es sich um ein ideales Forschungsobjekt für diese Kategorie, denn UGC4211 befindet sich mit einer Entfernung von 500 Millionen Lichtjahren der Erde vergleichsweise nahe. Das Team nahm die Fusionsgalaxie mit mehreren astronomischen Instrumenten in verschiedenen Wellenlängenbereichen ins Visier: Die Teleskope Chandra, Hubble und das Very Large Telescope der ESO kamen dabei zum Einsatz. Doch die entscheidenden Daten lieferte das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA).
“ALMA ist insofern einzigartig, als es durch große Gas- und Staubansammlungen hindurchsehen kann und eine sehr hohe räumliche Auflösung erreicht, um Dinge zu sehen, die sehr nahe beieinander liegen“, sagt Erst-Autor Michael Koss von der Forschungsorganisation Eureka Scientific mit Hauptsitz in Oakland. So offenbarte der Blick in den Zentralbereich von UGC4211: Dort befinden sich die beiden zentralen Schwarzen Löcher der fusionierenden Galaxien gleichsam Seite an Seite – mit nur 750 Lichtjahren Abstand zueinander. Sie machen sich durch die Strahlung bemerkbar, die bei ihrer gemeinsamen Mahlzeit entsteht: Sie verleiben sich Materie ein, die im Zuge des Verschmelzungsprozesses in ihre gravitative Reichweite gelangt ist.
Hoffnung auf weitere Funde
Es gab zwar bereits Hinweise auf Paare aus Schwarzen Löchern in Galaxien, doch der aktuelle Fall ist besonders: Dieses Duo besteht aus den am dichtesten beieinander liegenden supermassereichen Schwarzen Löcher, die je bei verschiedenen Wellenlängen beobachtet wurden, so die Wissenschaftler. Der erfolgreiche Einsatz von ALMA könnte ihnen zufolge nun den Weg für weitere Studien dieses spannenden Phänomens ebnen. „Unsere Studie hat eines der engsten Paare von Schwarzen Löchern in einer Galaxienverschmelzung identifiziert und da wir wissen, dass Galaxienverschmelzungen im fernen Universum sehr viel häufiger vorkommen, könnten auch diese Doppelsysteme Schwarzer Löcher sehr viel häufiger sein als bisher angenommen”, sagt Koss.
Co-Autor Ezequiel Treister von der Universidad Católica de Chile sagt dazu: „Solche Daten können uns ein klareres Bild davon geben, wie Galaxien wie unsere eigene so geworden sind, wie sie sind, und wie sie sich in Zukunft entwickeln werden”, so der Astronom. Konkret könnten die Forschungsergebnisse dabei auch unser Verständnis der bevorstehenden Verschmelzung der Milchstraße mit der Andromedagalaxie beeinflussen: “Diese Kollision befindet sich in einem sehr frühen Stadium und wird voraussichtlich in etwa 4,5 Milliarden Jahren stattfinden. Was wir gerade untersucht haben, ist ein Prozess in der allerletzten Phase einer Kollision“, sagt Koss.
Quelle: National Radio Astronomy Observatory