Video: Der Rekord-Finsterling (rote Bahn) hat sich durch die Taumelbewegung seines Begleitsterns (blaue Bahn) verraten. © ESO/L. Calçada
In unserer kosmischen Nachbarschaft verbirgt sich der finstere Überrest eines kollabierten Riesensterns: Forschende haben das massereichste stellare Schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraße gefunden wurde. Es machte sich durch die Taumelbewegung seines Begleitsterns bemerkbar und konnte auf das 33-fache der Sonnenmasse berechnet werden. Die Merkmale des Partnersterns lieferten auch Hinweise auf die Geschichte des Schwarzen Lochs: Offenbar ist es aus einem massereichen Stern mit besonders wenig schweren Elementen hervorgegangen, berichten die Forschenden.
Ihre gigantische Gravitationskraft krümmt den Raum so stark, dass nicht einmal das Licht entkommen kann: Durch ihre faszinierenden Merkmale stehen die Schwarzen Löcher im Fokus der astronomischen Forschung und des öffentlichen Interesses. Was die Massenrekorde bei den düsteren Astro-Promis betrifft, muss man zwischen den verschiedenen Kategorien unterscheiden. Die absolute Spitze bildet in unserer Milchstraße Sagittarius A*. Dabei handelt es sich um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie, das etwa vier Millionen Mal so viel Masse wie die Sonne besitzt. Bei der aktuellen Entdeckung handelt es sich allerdings um ein Exemplar der sogenannten stellaren Schwarzen Löcher. Sie entstehen, wenn das Material eines massereichen Sterns nach seiner Supernova-Explosion zu einem ultradichten Himmelskörper kollabiert.
Finsterlingen auf der Spur
Im Hinblick auf die unzähligen massereichen Sterne im Universum muss es auch entsprechend viele stellare Schwarze Löcher geben. Aufgrund ihrer “finsteren” Natur sind sie allerdings schwer zu entdecken. Dennoch wurden bereits einige in der Milchstraße und auch in fernen Galaxien aufgespürt. Manche Exemplare haben sich dabei durch das Aufleuchten von Materie bemerkbar gemacht, das sie gerade von einem Begleitstern absaugen. Andere wurden anhand von Gravitationswellen entdeckt, die bei der Verschmelzung Schwarzer Löcher untereinander oder mit Neutronenstern entstehen. Mit der dritten Nachweismöglichkeit lassen sich allerdings auch inaktive stellare Schwarze Löcher aufspüren: Dabei spiegelt sich die Existenz des Finsterlings in der Bewegung eines Begleitsterns wider und auch Rückschlüsse auf die Masse des Schwarzens Lochs sind anhand der Beeinflussung möglich.
Auf diese Weise wurde nun auch der neue Massen-Rekordhalter bei den stellaren Schwarzen Löchern in unserer Milchstraße entdeckt. Der Fund ist der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation zu verdanken. Dabei wertete das internationale Forschungsteam Daten des Weltraumteleskops Gaia aus, das den gesamten Sternenhimmel durchmustert – unter anderem, um auffällige Sternbewegungen aufzuzeigen. Wie das Team berichtet, stieß Gaia im Sternbild Aquila auf einen Stern mit ungewöhnlichem Bewegungsmuster. Anschließend wurde er durch bodengestützte Observatorien ins Visier genommen und genauer untersucht – unter anderem vom Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in der chilenischen Atacama-Wüste.
Wie die Forschenden berichten, ließ die Taumelbewegung des Sterns eindeutig auf die Existenz eines nicht sichtbaren Partners schließen. Der Begleitstern bewegt sich demnach um ein stellares Schwarzes Loch, das ebenfalls eine kleinere Taumelbewegung vollführt. Anhand der Beobachtungsdaten konnten die Forschenden dann auch die Masse des Schwarzen Lochs bestimmen: Sie kamen auf das 33-fache der Sonne. Nur in entfernten Galaxien wurden bisher ähnlich massereiche Exemplare entdeckt.
Das Gaia BH3 genannte Schwarze Loch stellt somit nun den bisherigen Rekordhalter in unserer Galaxie in den Schatten: Cygnus X-1, erreicht nur 21 Sonnenmassen. Im Vergleich zu diesem ist uns Gaia BH3 auch sehr nah – mit einer Entfernung von 2000 Lichtjahren ist es jetzt das der Erde zweitnächste bekannte Schwarze Loch. Es wird nur von BH1 übertroffen, das 1500 Lichtjahre von uns entfernt liegt, aber nur das Zehnfache der Sonnenmasse besitzt.
Neben dem neuen Rekord geht aus den Beobachtungsdaten noch ein weiterer interessanter Aspekt hervor: Anhand der Merkmale des Begleitsterns waren Rückschlüsse auf den Vorgängerstern des Schwarzen Lochs möglich. Wie die Forschenden erklären, ist davon auszugehen, dass sich die Partner einst aus dem gleichen Material gebildet haben – sie ähnelten sich demnach. Die Spektraldaten des Begleitsterns zeigten nun, dass er ungewöhnlich arm an schweren Elementen wie Metallen ist. Dies lässt also darauf schließen, dass auch der Stern, der zu dem Schwarzen Loch BH3 kollabierte, metallarm war. Dem Team zufolge bestätigt dies die bisherige Annahme, dass die besonders massereichen stellaren Schwarzen Löcher aus metallarmen Sternen hervorgehen. Sie verlieren im Laufe ihres Lebens vergleichsweise wenig Masse, wodurch nach ihrem Tod mehr Material für die Bildung eines Schwarzen Lochs übrigbleibt, so die Erklärung.
Das spannende BH3-System soll nun auch weiterhin im Fokus der Astronomie stehen: Das Gaia-Team will mit der Veröffentlichung andere Forschergruppen dazu animieren, es genauer zu untersuchen. Zukünftige Beobachtungen könnten also vielleicht bald mehr über die Geschichte des Systems und über das Schwarze Loch selbst verraten, so die Autoren.
Quelle: Europäischen Südsternwarte, Fachartikel: Astronomy & Astrophysics, doi: 10.1051/0004-6361/202449763