Klimaschützer oder Klimasünder?
Welche Auswirkungen diese vielen Wechselwirkungen der Regenwürmer mit ihrer Umwelt für die Nährstoff- und vor allem die Gasbilanz der Böden haben, war bisher allerdings unklar, wie Lubbers und ihre Kollegen berichten. Es habe einige Hinweise darauf gegeben, dass die Tiere das Pflanzenwachstum anregen und die Speicherung von kohlenstoffhaltigen Verbindungen im Boden fördern – beides Prozesse, die dazu beitragen, die Freisetzung von Treibhausgasen in die Atmosphäre zu reduzieren. Andererseits aber fördern die Würmer Mikrobentätigkeiten, die zum Abbau organischer Substanzen und damit zur verstärkten Bildung von gasförmigem (CO 2) und Distickstoffoxid (Lachgas) führen. Was also sind die Regenwürmer? Klimaschützer oder Klimasünder?
“In den nächsten Jahrzehnten wird die Präsenz von Regenwürmern in den Ökosystemen weltweit noch zunehmen”, sagen die Forscher. Diese Frage zu klären sei also dringend nötig. Schon jetzt erobern die Würmer dank des milderen Klimas zuvor wurmfreie Gebiete Nordamerikas, zudem fördert der Eintrag organischer Dünger die Wurmdichte. Um den Klimaeffekt der Würmer zu untersuchen, sammelten Lubbers und ihr Team Daten aus 57 bereits publizierten Studien und werteten diese erneut systematisch aus. Sie untersuchten dabei sowohl, welche Rolle es spielt, ob auf dem Boden Pflanzen wachsen, als auch, ob bestimmte Regenwurmarten den Kohlenstoff- und Stickstoffhaushalt des Bodens stärker beeinflussen als andere.
Ein Drittel mehr CO 2 und 40 Prozent mehr Lachgas
Das Ergebnis: “Unsere Metaanalyse deutet stark daraufhin, dass Regenwürmer die Nettoemissionen von Treibhausgasen aus dem Boden erhöhen”, konstatieren Lubbers und ihre Kollegen. Die Präsenz von Regenwürmern erhöht demnach die Freisetzung von Lachgas im Durchschnitt um 42 Prozent, von Kohlendioxid um 33 Prozent. Dadurch verstärke der Wurm das globale Erwärmungspotenzial – den Beitrag der Böden zum Klimawandel – um immerhin 16 Prozent.
Allerdings, auch das zeigte die Auswertung, ist dieser Effekt nicht unter allen Umständen gleich groß. Am meisten Lachgas und CO 2 setzten demnach Böden frei, in denen sogenannte anektische Arten lebten – Regenwürmer, die nicht nur in einer Bodenschicht bleiben, sondern sich vertikal durch das Erdreich graben und dabei regelmäßig frische Pflanzenteile bis in tiefe Erdschichten ziehen. Um die Treibhausgas-Emissionen zu erhöhen, reichte es bereits aus, wenn weniger als 150 Tiere pro Quadratmeter Bodenfläche vorhanden waren, wie die Forscher berichten. Und auch die Düngung der Böden spielt eine Rolle für den Wurmeffekt: Wurden die Böden mit Mineraldüngern versetzt, stieg die CO 2-Emission bei Wurmbesatz um bis zu 61 Prozent an, organische Nährstoffe erhöhten dagegen die Lachgasabgabe bis auf 69 Prozent.
“Die Interaktion der Regenwürmer mit dem Boden-Ökosystem und der Umwelt ist sehr komplex, daher bleiben viele Fragen noch offen”, betonen die Forscher. So sei beispielsweise noch nicht klar, ob der positive Effekt der Würmer auf das Pflanzenwachstum ausreiche, um die erhöhten Emissionen auszugleichen. Dennoch deute das Ergebnis dieser Metastudie darauf hin, dass diese Bodenbewohner zwar positiv für die Bodenfruchtbarkeit seien, aber andererseits auch zur Treibhausgas-Emission der Böden beitragen.