Einst beherbergte Südamerika eine große Zahl riesenhafter Beutel- und Säugetiere: In den Wäldern und Savannen streiften vier Tonnen schwere und bis zu sechs Meter lange Riesenfaultiere umher. Sie gelten noch heute als eines der größten Landsäugetiere, die jemals lebten. Sie teilten sich den Lebensraum mit gut drei Meter großen Riesengürteltieren, dem frühen Rüsseltier Stegomastodon und dem einem behaarten Nilpferd ähnelnde Toxodon. Auch Säbelzahnkatzen der Gattung Smilodon kamen dort vor, sie waren vor rund einer Million Jahren über die Landbrücke zu Nordamerika eingewandert. All diese Vertreter der eiszeitlichen Megafauna starben jedoch ähnlich wie auch in anderen Teilen der Welt vor mehr als 10.000 Jahren aus – warum, ist bis heute unklar.
Massengrab von Riesenfaultieren
Eine ungewöhnlich reiche Ansammlung von Relikten dieser Megafauna haben nun Richard Fariña von der Universidad de la Republica in Montevideo und seine Kollegen in Uruguay entdeckt. Mehr als 1.000 Knochen von 27 verschiedenen Arten großer Eiszeit-Tiere fanden sie im The Arroyo del Vizcaíno , dem Sediment eines Flussbetts nahe der Südküste des Landes. Wie die Forscher berichten, stammten die meisten Relikte von Riesenfaultieren der Art Lestodon arnatus. Aber auch Knochen von anderen Faultierarten, einer Säbelzahnkatzen, einem Urpferd und einem Rüsseltier fanden sich im Gestein.
Auffallend an den Funden: 90 Prozent der Tiere war im mittleren Alter – also auf dem Höhepunkt ihrer Fitness gestorben. Nur fünf Exemplare waren Jungtiere, zwei weitere waren alt. “Diese Altersverteilung unterscheidet sich von Fossilansammlungen, die durch Zufall oder eine Katastrophe hinterlassen wurden”, berichten Fariña und seine Kollegen. Denn bei solchen Ereignissen, wie beispielsweise einem plötzlichen Hochwasser, Waldbrand oder einem nachträglichen Zusammenschwemmen von Knochen, ist der Anteil von Jungtieren und Alten deutlich höher. Stattdessen ähnele die Zusammensetzung sehr der von sogenannten Kill sites, erklären die Paläontologen: Orten, an denen menschliche Jäger Beute per Treibjagd in den Tod trieben oder an denen sie anderswo erlegte Tierkadaver zerteilten.
Schnittspuren am Knochen
Tatsächlich fanden die Forscher weiterer Merkmale, die auf ein menschliches Einwirken hindeuten: An einigen Knochen entdeckten sie Schnittspuren, die von einem Werkzeug herrühren könnten. Mikroskopische Untersuchungen dieser Spuren enthüllten, dass sie in Form und Ausrichtung denen ähneln, die von Feuerstein-Werkzeugen in anderen fossilen Knochen hinterlassen wurden. “Bemerkenswert ist dabei, dass mindestens einer der Knochen Spuren an einer sehr konkaven Oberfläche trägt – einer sehr unzugänglichen, geschützten Stelle”, berichten Fariña und seine Kollegen. Das lasse es fast unmöglich erscheinen, dass solche Kratzer durch Zufall entstanden sind, beispielsweise durch Umherdriften in der Strömung. Relikte von Steinwerkzeugen fanden die Forscher an ihrem Fundort aber kaum. Nur ein paar wenige Steinstücke wiesen Abschläge auf, die denen steinzeitlicher Werkzeuge ähnelten.
Das Ganze hat zudem einen beträchtlichen Haken: Radiokarbon-Datierungen ergaben, dass die im Arroyo del Vizcaíno entdeckten Knochen bereits 27.000 bis 30.000 Jahre alt sein müssen. Zu dieser Zeit aber hatte der Mensch nach gängiger Vorstellung Südamerika noch gar nicht besiedelt. Archäologische Funde vor allem in Nordamerika deuten stattdessen darauf hin, dass die Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner erst am Ende der Eiszeit, vor rund 15.000 Jahren, über die Landbrücke der Beringsee aus Asien auf den amerikanischen Kontinent kamen. “Das Alter unseres Fundorts und die nur wenigen Werkzeugrelikte ermahnen zur Vorsicht bei der Interpretation unserer Funde”, betonen die Forscher daher selbst. Ihrer Ansicht nach ist der Fund entweder eine wirklich unerwartete Entdeckung oder aber ein Beispiel dafür, wie gut die Natur die menschliche Präsenz nachahmen kann.