Der eisige Saturnmond Rhea besitzt eine eigene, dünne Atmosphäre aus Sauerstoff und Kohlendioxid. Das zeigen Daten, die die Raumsonde Cassini im März dieses Jahres bei einem Vorbeiflug am zweitgrößten Mond des Saturns gesammelt und die ein internationales Forscherteam jetzt ausgewertet hat. Der Sauerstoff der Gashülle entsteht dabei höchstwahrscheinlich, wenn elektromagnetische Strahlung auf das Wassereis der Oberfläche trifft und es zersetzt. Die Herkunft des Kohlendioxids ist für die Forscher hingegen weniger klar: Es könnte bei der Oxidation organischer Moleküle entstehen oder aber aus dem Eis auf der Oberfläche ausgasen. Die Atmosphäre sei bisher übersehen worden, weil sie so dünn ist, dass sie bei vorherigen Messungen gar nicht erfasst werden konnte, schreiben Ben Teolis vom Southwest Research Institute im texanischen San Antonio und seine Kollegen.
Schon vor der Auswertung der neuen Daten gab es den Verdacht, Rhea könnte eine sauerstoffhaltige Atmosphäre besitzen – solche Gashüllen waren nämlich kürzlich auch auf den eisbedeckten Jupitermonden Europa und Ganymed entdeckt worden. Der Sauerstoff entsteht dort durch das Einwirken von Strahlung auf das gefrorene Wasser, das sich dabei zersetzt. In die Atmosphäre gelangt er durch das Bombardement mit geladenen Teilchen, die sich im Einflussbereich des Magnetfelds – der sogenannten Magnetosphäre – von Jupiter bilden. Etwas Ähnliches, so die Vermutung der Wissenschaftler, könnte es auch auf den eisbedeckten Monden des Saturns geben, die sich in dessen Magnetosphäre befinden.
Als Cassini Rhea am 2. März in einer extrem geringen Höhe von nur 97 Kilometern überflog, bestätigte sich diese Vermutung: Ein spezielles Massenspektrometer an Bord der Raumsonde registrierte Signale von Sauerstoff und – eher unerwartet – auch von Kohlendioxid. Der Sauerstoff bildet sich vermutlich ähnlich wie bei den Jupiter-Monden. Es sei wahrscheinlich, dass der größte Teil des auf Rhea vorkommenden Sauerstoffs noch im Eis eingeschlossen sei und jeweils nur einer kleiner Teil als Gas in die Atmosphäre entwischt, spekulieren die Forscher. Für das Kohlendioxid kommen gleich mehrere Quellen infrage. Es könnte zum Beispiel ebenfalls bereits im Eis vorhanden sein und nach und nach ausgasen. Alternativ entsteht es möglicherweise erst auf der Oberfläche des Mondes durch die Reaktion oxidierender Substanzen mit organischen Molekülen oder kohlenstoffhaltigen Mineralien. Letztere könnten dabei entweder Teil von Rheas Geologie sein oder sie gelangten in Form von Mikrometeoriten auf die Oberfläche.
Die dünne Gashülle um den Mond ist nicht überall gleich, zeigen die Messungen zudem: Auf der von der Sonne beschienenen und damit wärmeren Seite ist sie deutlich dicker, etwa als hätte sie dort eine Beule. Das Kohlendioxid scheint sich dabei fast ausschließlich auf dieser Seite zu befinden, möglicherweise, weil es auf der kälteren dunklen Seite kondensiert und deswegen von Cassini nicht erfasst werden konnte. Die Ergebnisse deuten nun darauf hin, dass auch noch andere eisige Monde eine Atmosphäre haben könnten – unter anderem Rheas Schwesternmond Dione, dessen Oberfläche ähnlich aufgebaut ist wie die Rheas.
Ben Teolis (Southwest Research Institute, San Antonioet) al.: Science, doi 10.1126/science.1198366 dapd/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel