Wunderschön – und aufschlussreich: Astronomen präsentieren neue Aufnahmen unserer Nachbargalaxien in unterschiedlichen Farben und ermöglichen Astronomen damit Einblicke in die Prozesse der Sternentstehung. Die Bilder geben detaillierte Einblicke in Strukturen mit besonders jungen Sternen sowie in die Gas-Formationen, die sie um sich herum erwärmen. Durch die Kombination mit weiteren Daten können diese Beobachtungen nun neue Erkenntnisse dazu liefern, welcher Mechanismen die Materie zur Sternbildung anregen, erklären die Wissenschaftler.
Sie sind wie die Städte des Kosmos: In den Galaxien bilden Milliarden von Sternen sowie die sie umgebende Materie durch Gravitationskräfte komplexe Strukturen aus. Es ist grundsätzlich bekannt, dass die Sterne dort in Gaswolken geboren werden, aber es gibt noch immer viele Fragen zu den Auslösern der stellaren Entwicklung und auch dazu, welche Rolle die jeweilige Galaxie als Ganzes spielt. Um Einblicke zu gewinnen, sind möglichst komplexe Abbildungen von Galaxien sowie ihrer Kinderstuben nötig. Diesem Ziel widmet sich ein Team aus internationalen Astronomen im Rahmen des Projekts PHANGS (Physics at High Angular Resolution in Nearby GalaxieS). Nun präsentieren sie einige unserer Nachbargalaxien in bisher unerreichter Detailgenauigkeit und Farbenpracht.
Farbenfrohe Einblicke
Die Wissenschaftler haben die kosmischen Gebilde mit leistungsstarken Teleskopen am Boden und im Weltraum im Ganzen erfasst sowie bestimmte Regionen gezielt ins Visier genommen. Die verschiedenen Observatorien wurden dabei so ausgewählt, dass das Team unsere galaktischen Nachbarn bei unterschiedlichen Wellenlängen erfassen konnte. Die farbliche Komplexität verdeutlichte dabei unterschiedliche Teile der beobachteten Galaxien. Den gezielten Blick auf die galaktischen Kinderstuben ermöglichte vor allem der Multi-Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) des Very Large Telescopes (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO). Die Astronomen nutzten dieses Instrument, um neugeborene Sterne und das warme Gas um sie herum aufzuspüren. Wie sie erklären, wird diese Materie von den Sternen beleuchtet und aufgeheizt und kann damit Hinweise auf die Prozesse der Sternbildung liefern.
„Zum ersten Mal lösen wir nun einzelne Sternentstehungsgebiete mit einer großen Vielfalt an Regionen und Umgebungen in einer Auswahl von Galaxien auf, die die verschiedenen Varianten gut repräsentiert“, sagt Co-Autor Eric Emsellem von der ESO in Deutschland. Die Kombination von Daten ermöglicht es den Wissenschaftlern nun weit besser als zuvor, die verschiedenen Stadien der Sternentstehung zu untersuchen. „Mit PHANGS ist es uns zum ersten Mal gelungen, ein komplettes Bild zu entwickeln, das scharf genug ist, um die einzelnen Wolken, Sterne und Nebel zu erkennen, die auf die Entstehung von Sternen deuten“, sagt Co-Autor Francesco Belfiore vom INAF-Arcetri in Florenz.
Ein Atlas galaktischer Kinderstuben
Die neuen MUSE-Bilder kombinieren die Forscher im Rahmen des Projekts auch mit Beobachtungen der gleichen Galaxien, die kürzlich mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) entstanden sind. Diese Aufnahmen sind besonders gut geeignet, um kalte Gaswolken zu kartieren – diejenigen Objekte in Galaxien, die das Rohmaterial für die Sternentstehung liefern. Wie die Astronomen erklären, sind durch die Kombinationen der MUSE- und ALMA-Bilder somit Vergleiche möglich, die besonders aufschlussreiche Einblicke darin liefern können, was die Geburt neuer Sterne auslöst, verstärkt oder dämpft.
Die Astronomen konnten nun bereits Gaswolken in 90 nahen Galaxien kartieren und so einen bisher unerreicht detaillierten Atlas der stellaren Keimzellen im nahen Universum erstellen. Er kann als Grundlage weiterer Forschung dienen: „Es gibt viele Rätsel, die wir entschlüsseln wollen“, sagt Co-Autorin Kathryn Kreckel von der Universität Heidelberg. „Werden Sterne häufiger in bestimmten Regionen ihrer Wirtsgalaxien geboren? Und wenn ja, warum? Und wie beeinflusst die Entwicklung dieser Sterne nach ihrer Geburt die Entstehung neuer Generationen von Sternen?“ Astronomen können diesen Fragen nun dank der Fülle an neuen Daten, gezielt nachgehen.
Das PHANGS-Team wird nun auch weiter am Ball bleiben. „Bisher reicht die Auflösung der von uns erstellten Karten aus, um einzelne Sternentstehungswolken zu identifizieren und zu trennen, aber sie kann noch nicht verdeutlichen, was in ihnen im Detail passiert“, sagt Co-Autorin Eva Schinnerer vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Die Wissenschaftler hoffen in diesem Zusammenhang nun auf den Ausbau der kosmischen Augen der Menschheit: Das James Webb Space Telescope der NASA und das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO sollen bald noch detailliertere Blicke auf die Strukturen von Sternentstehungsgebieten ermöglichen. „Wir haben Jahrzehnte spannender Entdeckungen vor uns“, sagt Schinnerer abschließend.
BU: Beispiele von fünf Galaxien, die im Rahmen des PHANGS-Projekts aufgenommen wurden. (Bild: ESO/PHANGS)
Quelle: ESO, PHANGS-Webseite