Analytischer Blick in eine „Planeten-Wiege“: Astronomen haben im inneren Bereich einer planetenbildenden Scheibe um einen jungen Stern drei Ringe entdeckt. Offenbar haben sich in den Lücken bereits zwei Planeten aus dem Material gebildet, von dem die Ringe noch immer geprägt sind. Aus Hinweisen auf deren Zusammensetzung geht hervor, dass sie Silikate und möglicherweise Eisen enthalten. Der innere Scheibenbereich könnten somit demjenigen ähneln, der vor über vier Milliarden Jahren die Gesteinsplaneten unseres Sonnensystems hervorgebracht hat, sagen die Forscher.
Wie sind Planetensysteme wie unser eigenes entstanden? Schon lange versuchen Astronomen, immer mehr Einblicke in diese Frage zu gewinnen. Die grundlegenden Prozesse gelten dabei mittlerweile als geklärt: Durch den schwerkraftbedingten Kollaps dichter, kalter Gaswolken entstehen zunächst die jungen Sterne. Um sie sammelt sich dann das restliche Material in der Form von Scheiben an, in denen sich wiederum Planeten bilden können. Solche zirkumstellaren Scheiben wurden bereits um einige junge Sterne entdeckt. In manchen Fällen zeichnet sich auch ab, dass sich bereits Planeten gebildet haben: Lücken in einer zirkumstellaren Scheibe legen nahe, dass in diesem Bereich ein kreisender Planet das Material auf sich vereinigt hat.
Bisher wurden solche Strukturen allerdings meist in eher äußeren Bereichen von planetenbildenden Scheiben entdeckt, die der Zone jenseits der Umlaufbahn des Saturn um die Sonne entsprechen. Doch nun hat ein Astronomen-Team um József Varga vom Konkoly-Observatorium in Budapest in einer zirkumstellaren Scheibe Strukturen identifiziert, die sich nahe am Wirtsstern befinden. Im Visier stand dabei das System des jungen Sterns HD 144432, der etwa 500 Lichtjahre von uns entfernt liegt. Zum Einsatz kam das Interferometer am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Dieses kurz VLTI genannte Instrument bündelt die Beobachtungsdaten von vier Teleskopen und ermöglicht so eine hohe Auflösung von astronomischen Strukturen. Die Ergebnisse des Teams basieren dabei auf Beobachtungen mit einer breiten Wellenlängenabdeckung im Infrarotbereich des Lichts.
Drei Ringe – zwei Planeten in den Lücken
„Bei der Untersuchung der Staubverteilung in der innersten Region der Scheibe entdeckten wir zum ersten Mal eine komplexe Struktur, bei der der Staub in einer solchen Umgebung drei Ringe bildet“, sagt Co-Autor Roy van Boekel vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. „Diese Region entspricht dabei der Zone, in der sich die Gesteinsplaneten im Sonnensystem gebildet haben“, hebt van Boekel hervor. Konkret geht aus den Datenanalysen hervor, dass der erste Ring um HD 144432 innerhalb der Umlaufbahn des Merkurs liegen würde und der zweite im Bereich der Marsbahn. Erst der dritte befindet sich dann in einer Entfernung, die ungefähr der Umlaufbahn unseres Jupiters entsprechen würde. Wie die Wissenschaftler erklären, legt die Existenz der drei Ringe wiederum nahe, dass sich in den beiden Lücken zwei Planeten gebildet haben. Das bedeutet somit auch: Sie sind aus dem Material im inneren Bereich der zirkumstellaren Scheibe von HD 144432 entstanden, von dem auch die drei Ringe geprägt sind.
Hinweise auf Silikate und Eisen
Wie das Team berichtet, konnten sie anhand ihrer Daten auch Rückschlüsse auf die Merkmale und die Zusammensetzung dieser Scheibenstrukturen ziehen. Dabei lieferten spektrale Signaturen der Strahlung aus den Ringen und speziell entwickelte Modellierungen die entscheidenden Hinweise. Die Analyseergebnisse legten dabei nahe, dass verschiedene Silikate den Staub der Ringe prägen, wie sie auch für das Material von Gesteinsplaneten typisch sind. Bedeutender ist allerdings der Hinweis auf metallisches Eisen, wie es etwa im Kern der Erde vorhanden ist, denn diese Komponente wurde zuvor noch nicht in zirkumstellaren Scheiben nachgewiesen. „Astronomen haben die Beobachtungen von staubigen Scheiben bisher mit einer Mischung aus Kohlenstoff- und Silikatstaub erklärt – Materialien, die wir fast überall im Universum sehen“, erklärt van Boekel. Im Fall des inneren Ringmaterials von HD 144432 lieferte der Modellierungsansatz der Forscher aber schlüssigere Ergebnisse, wenn Eisen anstelle von Kohlenstoff berücksichtigt wurde.
Eine Mischung aus Eisen und Silikaten erscheint für die heißen, inneren Scheibenregionen auch plausibel, betonen die Forscher. Denn dort könnten die Mineralien und das Eisen schmelzen und dann zu kristallinen Strukturen kondensieren. Kohlenstoff würde bei den Bedingungen dagegen eher nicht fest vorkommen, sondern als gasförmiges Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid, erklären die Wissenschaftler. Eisenreicher und eher kohlenstoffarmer Staub als Baumaterial würde auch zu dem passen, was von der Zusammensetzung der Gesteinsplaneten unseres Sonnensystems bekannt ist. „Wir denken, dass die Scheibe von HD 144432 dem frühen Sonnensystem sehr ähnlich sein könnte, das die heutigen Gesteinsplaneten mit viel Eisen versorgt hat“, sagt van Boekel. „Wir vermuten, dass unsere Studie ein weiteres Beispiel dafür ist, dass die Zusammensetzung unseres Sonnensystems recht typisch ist“.
Das Astronomen-Team will nun weiter am Ball bleiben: Sie planen, die inneren Bereiche der zirkumstellaren Scheiben bei weiteren Sternen ins Visier zu nehmen. So hoffen sie, die Spur des Eisens bestätigen zu können sowie die Ergebnisse auszuweiten. Dazu sagt van Boekel abschließend: „Wir haben noch ein paar vielversprechende Kandidaten, die darauf warten, dass das VLTI sie genauer unter die Lupe nimmt“.
Quelle: Max-Planck-Instituts für Astronomie, Fachartikel: Astronomy and Astrophysics, doi: 10.1051/0004-6361/202347535