Er könnte für die seltsamen Bahnen entlegener Himmelskörper unseres Sonnensystems verantwortlich sein, heißt es. Doch für die Existenz des sogenannten Planeten 9 fehlen bisher handfeste Beweise. Nun sagt ein Astronomenteam: Es muss diesen mysteriösen Außenseiter gar nicht geben – auch „kollektive Gravitation“ könnte die ungewöhnlichen Umlaufbahnen einiger transneptunischer Objekte am Rande unseres Sonnensystems verursacht haben.
Die Nachricht sorgte 2016 für Aufsehen: Astronomen berichteten, dass es in unserem Sonnensystem jenseits des Neptun noch einen neunten bisher unentdeckten Planeten geben könnte. Direkt erspäht hatten sie den Himmelskörper nicht – sie schlossen nur anhand der Bewegungen von anderen Objekten auf die Existenz eines möglicherweise neptungroßen Planeten mit einer „abwegigen“ Umlaufbahn. Seither läuft die Fahndung nach dem potenziellen Außenseiter in unserem Sonnensystem. Bisher hat den mysteriösen Planeten 9 noch niemand direkt erspäht, doch in der Zwischenzeit kamen weitere Studien ebenfalls zu dem Schluss, dass „irgendetwas“ einige transneptunische Objekte „aufzumischen“ scheint.
Himmelskörper auf „Abwegen“
Es handelt sich dabei um die sogenannten „detached objects“ (losgelöste Objekte), von denen der bekannteste der Zwergplanet Sedna ist. Dieser rund 1000 Kilometer große Himmelskörper umkreist die Sonne in einer Entfernung von rund 13 Milliarden Kilometern und braucht für einen Umlauf etwa 11.000 Jahre. Das besondere an Sedna und den anderen detached objects sind ihre seltsamen Umlaufbahnen um die Sonne, die nicht den Regeln unseres Sonnensystems zu entsprechen scheinen. Die mögliche Erklärung bietet der hypothetische Planet 9: Seine Schwerkraft könnte Sedna und Co auf ihre scheinbar unerklärlichen Bahnen gelenkt haben, geht aus Simulationen hervor.
Wie nun deutlich wird, ist aber noch keineswegs klar, ob es wirklich so ist: Ein Astronomenteam um Ann-Marie Madigan von der University of Colorado at Boulder hat auf der aktuellen Tagung der American Astronomical Society in Denver über ein Erklärungsmodell berichtet, das ohne einen neunten Planeten auskommt. Ihren Ergebnissen zufolge können die seltsamen Umlaufbahnen auf Gravitationseffekte zurückzuführen sein, die entstehen, wenn sich die transneptunischen Himmelskörper vorübergehend nahe kommen. “Es gibt so viele Himmelskörper dort draußen. Was macht ihre kollektive Schwerkraft? Wir können vielleicht einige Rätsel lösen, indem wir diese Frage berücksichtigen”, sagt Madigan.
Die Frage bleibt offen
Die Ergebnisse ihres Team basieren auf Computersimulationen der Dynamik der fraglichen Himmelskörper. Wie die Forscher berichten, zeichnete sich ab, dass die Bahnen der Objekte jenseits von Neptun die Sonne wie die Zeiger einer Uhr umkreisen. Einige wie die Asteroiden, bewegen sich demnach gemeinsam wie der Minutenzeiger einer Uhr – relativ schnell. Größere Objekte wie Sedna, bewegen sich hingegen langsamer – sie repräsentieren in dem Vergleich den langsameren Stundenzeiger. Bei einer Uhr treffen sich die beiden Zeiger bekanntlich manchmal – und ähnlich ist das auch am Rande unseres Sonnensystems, sagen die Forscher. Bei den Treffen kommt es dann zu gravitativen Wechselwirkungen, welche die Umlaufbahnen beeinflussen. Diese Interaktionen könnten für die „losgelösten“ Umlaufbahnen von Sedna und Co verantwortlich sein, sagen Madigan und ihre Kollegen.
Unterm Strich zeichnet sich somit erneut ab: Eindeutige Antworten gibt es bei dem Thema bisher noch nicht. Vielleicht beendet aber eines Tages doch noch ein spektakulärer Fund die Diskussion: Wissenschaftler und sogar Hobbyastronomen halten derzeit gezielt Ausschau nach dem mysteriösen Planeten 9. Es bleibt spannend!