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Physiknobelpreis für die Begründer der Attosekundenphysik

Astronomie|Physik

Physiknobelpreis für die Begründer der Attosekundenphysik
Physik-Nobepreisträger 2023
Die drei Preisträger: Pierre Agostini, Ferenc Krausz und Anne L’Huillier. © Ill. Niklas Elmehed /Nobel Prize Outreach

Lange galten die Sprünge und Zustandswechsel der Elektronen in der Atomhülle als zu schnell, um beobachtet zu werden. Erst durch die Pionierleistungen der drei diesjährigen Physik-Nobelpreisträger konnten diese Bewegungen erstmals sichtbar gemacht und gemessen werden. Anne L’Huillier, Pierre Agostini und Ferenc Krausz entwickelten die Technik der Attosekunden-Laserpulse, die die Reaktionen der Elektronen wie in einer Art Stroboskop messbar machen. Damit ermöglichten es die Preisträger, zum ersten Mal die Zeitdauer von Einsteins photoelektrischem Effekt zu messen und das Verhalten von Elektronen zu erforschen. Dies legte die Basis für Analysetechniken, die heute in Medizin, Materialforschung und Chemie unverzichtbar sind.

Im Jahr 1905 veröffentlichte Albert Einstein die physikalische Erklärung für den photoelektrischen Effekt – einen entscheidenden Aspekt der Wechselwirkung von Licht und Materie. Demnach absorbieren Atome bei Bestrahlung mit Photonen deren Energie und ihre Elektronen wechseln dabei in einen höheren Energiezustand. Diese Quantensprünge sind je nach Element und Molekül spezifisch und hängen von der aufgenommenen Energie ab. Im Extremfall ist die Energie so hoch, dass ein oder mehrere Elektronen ganz aus ihren Orbitalen katapultiert werden – das Atom wird zum Ion. Doch diese Zustandswechsel der Elektronen geschehen so schnell, dass sie lange als quasi instantan galten. “In der Welt der Elektronen ereignen sich Veränderungen in wenigen Zehntel Attosekunden. Eine Attosekunde ist jedoch so kurz, dass so viele davon in eine Sekunde hineinpassen, wie Sekunden seit Beginn des Universums vergangen sind”, heißt es im Statement des Nobelpreis-Komitees.

Doch es gab lange Zeit keine Laser, die Licht in einem ausreichend kurzwelligen Spektralbereich produzieren konnten. „Für Pulse mit einer Dauer unterhalb einer Femtosekunde braucht man schon extrem ultraviolettes Laserlicht“, erklärt Preisträger Ferenc Kraus vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. „Zur Erzeugung noch kürzerer Pulse führt an Röntgenlicht kein Weg vorbei.“ Bis zu den Errungenschaften der drei Nobelpreisträger war es daher unmöglich, die Bewegungen der Elektronen nachzuvollziehen – es gab kein Werkzeug oder Messinstrument dafür. Was genau bei den Quantensprüngen und bei der Ionisierung in der Atomhülle geschieht und wie sich dies bei verschiedenen Elementen und Molekülen unterscheidet, blieb unklar.

(Video: Max-Planck-Gesellschaft)

Laserbeschuss von Edelgasatomen

Den ersten Schritt zu einer Lösung dieses Problem machten Anne L’Huillier von der Universität Lund und ihr Team im Jahr 1987 in einem Laserexperiment mit Edelgasen. Sie stellten fest, dass ein intensiver Infrarot-Laserstrahl beim Durchstrahlen einer Wolke von Edelgasatomen eine Vielzahl von Frequenz-“Obertönen” entsteht. Dabei stieg die Emissions-Intensität dieser Obertöne anfangs an, blieb dann aber über einen relativ breiten Frequenzbereich gleich, um dann steil abzufallen. Durch theoretische Berechnungen und Modelle lieferten L’Huillier und ihre Kollegen eine Erklärung für diese sogenannten “höher Harmonischen”. Demnach verursacht der Laserbeschuss zunächst eine Ionisierung der Edelgasatome – ein Elektron wird freigesetzt. Sobald jedoch die Phase des Laserfelds wechselt, kehrt das Elektron um und es kommt zu einer Rekombination mit dem Atom. Dabei wird ein kurzwelliges, energiereiches Röntgen- oder Extrem-UV-Photon freigesetzt. Weil sich dieser Prozess mehrfach wiederholt, werden diese Photonen in kurzen, regelmäßigen Abständen frei. Dies eröffnete erstmals einen Weg, regelmäßige, standardisierte Lichtpulse in extrem kurzen Abständen zu generieren – die Basis für Attosekunden-Lasermessungen.

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Die technischen Voraussetzungen für den nächsten Schritt entwickelten die beiden Preisträger Pierre Agostini von der Ohio State University in Columbus und Ferenc Krausz vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching parallel zueinander. Agostini und sein Team entwickelten die sogenannte RABBIT-Technik (Reconstruction of Attosecond Beating by Interference of Two-Photon Transitions). Mit ihr wird es möglich, nicht nur Attosekundenpulse durch Bestrahlung einer Edelgaswolke zu erzeugen, sondern auch die Dauer der Pulse zu messen. 2001 konnten Agostini und seine Kollegen mithilfe dieser RABBIT-Technik erstmals eine Serie von UV-Laserpulsen erzeugen, die jeweils nur 250 Attosekunden lang waren. Zur gleichen Zeit arbeiten Krausz und sein Team, damals noch an der Technischen Universität Wien, ebenfalls an Attosekundenlasern und nutzten dafür speziell beschichteten XUV-Spiegel und die sogenannte Streaking-Technik, um 650 Attosekunden lange Laserpulse zu erzeugen.

Erste Zeitmessungen des Quantensprungs

Wenig später gelang es Krausz und seinen Kollegen erstmals, die Zeitdauer bis der Elektronenfreisetzung bei der Ionisierung von Neonatomen zu messen. Sie konnten nachweisen, dass die Elektronenemission nicht instantan geschieht, sondern mit einer je nach Elektronenorbital und Element unterschiedlichen Zeitverzögerung. So ist das Elektron aus dem 2p-Orbital um 21 Attosekunden langsamer als ein aus dem 2s-Orbital emittiertes Elektron. L’Huillier und ihr Team verfeinerten das Experiment weiter und konnten so einen Störeffekt korrigieren, der zuvor zu Abweichungen zwischen Experiment und theoretischen Modellen geführt hatte. Gleichzeitig ermittelten sie auf Basis ihrer Messungen auch die Bindungsenergien der Elektronen in beiden Orbitalen des Neons.

“Was als eher eng fokussiertes Feld der Multiphotonen-Prozesse in der Atomphysik begann, hat sich nun erweitert und die Grenzen des Machbaren in vielen Felder wie der molekularen Physik, der physikalischen Chemie, der Festkörperphysik und angewandten Bereichen verschoben”, erklärt das Nobelpreis-Komitee. Heute sind die Attosekunden-Spektroskopie und die Messungen der Elektronenbewegungen in Atomen und Materialien aus diesen Bereichen kaum mehr wegzudenken.

Quelle: Nobelprize.org

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