Der Saturnmond Enceladus besitzt unter seiner Kruste einen Ozean aus flüssigem Wasser, doch dessen chemische Zusammensetzung ist bisher unklar. Erste Hinweise lieferten allerdings chemische Analysen von Eispartikeln, die von Enceladus’ Geysiren ins All geschleudert wurden, durch die NASA-Raumsonde Cassini. Jetzt belegt eine Neuanalyse dieser Daten, dass auch das für das Leben wichtige Element Phosphor in den Geysiren und damit wahrscheinlich auch im subglazialen Ozean des Saturnmonds präsent ist. Demnach könnte sein Wasser 100-mal mehr Phosphor in Form von Phosphaten enthalten als das Wasser der irdischen Ozeane. Dies legt nahe, dass die flüssigen Ozeane unter den Eiskrusten dieses und anderer Eismonde im Sonnensystem alle nötigen Ingredienzen für Leben beinhalten.
Der nur rund 550 Kilometer große Saturnmond Enceladus ist auf den ersten Blick nur ein großer Ball aus Eis. Doch nähere Untersuchungen mit Teleskopen und Raumsonden haben Hinweise darauf geliefert, dass sich zwischen seiner 30 bis 40 Kilometer dicken Eiskruste und einem Gesteinskern ein Ozean aus flüssigem Wasser verbirgt. Belege dafür liefern unter anderem zahlreiche Fontänen aus Wasserdampf und winzigen Eispartikeln, die in der Südpolregion des Saturnmondes aus Rissen in der Eiskruste herausschießen. Diese Geysire schleudern ihr Material mehrere hundert bis mehrere tausend Kilometer weit ins All hinaus – pro Sekunde sind es im Schnitt rund 300 Liter Wasser. Das von Enceladus ausgeschleuderte Wasser verteilt sich über seinen gesamten Orbit und trägt entscheidend dazu bei, den E-Ring des Saturn mit Eispartikeln aufzufüllen. Die NASA-Sonde Cassini hatte mit dem “Cosmic Dust Analyzer” ein Massenspektrometer an Bord, mit dem sie Partikel aus dem E-Ring und den Geysir-Plumes analysiert hat. Dabei wies sie verschiedene Salze nach, darunter Natriumchlorid, Kaliumchlorid und Natriumkarbonat. Insgesamt lag der Salzgehalt in den Eiskörnchen zwischen 0,5 und zwei Prozent.
Phosphor-Suche in ausgeschleuderten Eiskörnchen
Aus diesen Daten schließen Planetenforscher, dass der flüssige Ozean unter Enceladus’ Kruste mineralienreich und ziemlich alkalisch sein könnte. Sein Wasser könnte dem der Sodaseen oder dem der alkalischen hydrothermalen Schlote auf der Erde ähneln. Letztere gelten als mögliche Lebenswiegen der Urerde, weil im Umfeld dieser unterseeischen Schlote neben der nötigen Energie auch nahezu alle chemischen Zutaten für einfaches Leben vorhanden sind. Dabei gelten sechs Elemente als entscheidend für wasserbasiertes, organisches Leben, wie wir es kennen: Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel und Phosphor. “Von diesen ist Phosphor das am wenigsten häufige”, erklären Frank Postberg von der Freien Universität Berlin und seine Kollegen. Deshalb gilt dieses Element oft als limitierender Faktor bei der Suche nach Leben – auch im All. “Bisher wurde Phosphor bei keinem der ozeanbesitzenden Monde im Sonnensystem detektiert”, so die Forscher. Allerdings legen neuere Modelle von Enceladus’ Geochemie nahe, dass es im Wasser seines alkalischen subglazialen Ozeans Phosphate geben müsste.
Deshalb haben Postberg und sein Team die Daten der Cassini-Sonde noch einmal gezielt daraufhin ausgewertet. Dabei fokussierten sie sich auf die Massenspektren von 345 Eispartikeln aus dem E-Ring, deren Gehalt an Natriumsalzen auf eine Herkunft aus dem Ozean von Enceladus hindeuteten. Bei neun dieser Eispartikel wurden die Wissenschaftler fündig: “Es waren Peaks bei den molekularen Massen 125, 165 und 187 zu sehen, deren Muster sich als Anzeichen für hohe Konzentrationen von Natriumphosphaten in diesen Eiskörnchen erwiesen”, berichten sie. “Dies legt nahe, dass Phosphor zumindest in den oberen Regionen von Enceladus’ Ozean reichlich verfügbar ist.” Wie hoch der Phosphatgehalt im Wasser sein könnte, errechnete das Team ausgehend vom Anteil dieser Phosphate in den Eispartikeln und dem Anteil der phosphathaltigen Eispartikel an ihrer Gesamtprobe.
Hunderte Mal mehr Phosphor als irdisches Meerwasser
Das Ergebnis: Das Wasser des Ozeans unter Enceladus’ Eiskruste könnte 0,8 bis 21 Millimol Phosphate enthalten. “Damit liegen die Phosphatkonzentrationen mehrere hundert Mal über den durchschnittlichen Phosphatwerten in den irdischen Ozeanen”, erklären Postberg und seine Kollegen. Ergänzende Laborversuche bestätigten, dass solche Phosphate durch geochemische Wechselwirkungen an der Kontaktzone von Gestein und Wasser gebildet werden. Je alkalischer dabei das Wasser ist, desto weniger Hitze ist für die entsprechenden chemischen Reaktionen nötig. “Bei pH 9,5 müsste das Wasser eine Temperatur von 80 Grad oder weniger haben. Liegt der pH-Wert bei 10,5, würden schon Temperaturen unter 65 Grad reichen”, berichtet das Team. Der Nachweis der Phosphate in den Eis-Plumes von Enceladus stützt damit auch die Vermutung, dass es am Grund des Enceladus-Ozeans möglicherweise alkalische hydrothermale Schlote gibt.
Nach Ansicht der Wissenschaftler werfen diese Ergebnisse neues Licht auf die potenzielle Lebensfreundlichkeit des Wassers unter Enceladus’ Kruste. Denn anders als zuvor angenommen, ist zumindest das Element Phosphor dafür kein limitierender Faktor mehr. Gleichzeitig legt der Nachweis der Phosphate bei Enceladus nahe, dass dieses Element auch bei anderen Eismonden mit subglazialen Ozeanen reichlicher vertreten sein könnte als zuvor gedacht. “Enceladus’ Ozean könnte damit ein Vorbote für eine hohe Phosphorverfügbarkeit in den unter der Kruste liegenden Ozeanen des äußeren Sonnensystems sein”, konstatieren Postberg und seine Kollegen. Ähnlich sieht es auch der nicht an der Studie beteiligte Planetenforscher Mikhail Zolotov von der Arizona State University: “Die Ergebnisse legen nahe, dass gelöste Phosphate auch auf anderen Himmelskörpern mit subglazialen Ozeanen vorkommen, und erhöhen damit die Chancen für ihre Lebensfreundlichkeit.”
Quelle: Frank Postberg (Freien Universität Berlin) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-023-05987-9