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Organische Moleküle in einer frühen Galaxie

Astronomie|Physik

Organische Moleküle in einer frühen Galaxie
Einsteinring
Durch den Gravitationslinseneffekt wurde das Licht der frühen Galaxie zu einem Ring verzerrt. Der orangene Bereich im Ring zeigt die spektrale Signatur der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe an. © J. Spilker / S. Doyle, NASA, ESA, CSA

Komplexe organische Moleküle gibt es nicht nur auf der Erde, sondern auch im Weltall. Dort spielen sie eine wichtige Rolle unter anderem als “Geburtshelfer” neuer Sterne. Jetzt haben Astronomen mithilfe des James-Webb-Teleskops erstmals solche polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) in einer mehr als zwölf Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie nachgewiesen – sie existierte zu einer Zeit nur rund 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Dies ist der erste Beleg für die Präsenz dieser organischen Moleküle in einer so frühen Galaxie. Gleichzeitig wirft die Verteilung der PAKs in dieser Sternansammlung Fragen auf, denn sie weicht von dem Erwarteten ab, wie die Astronomen berichten.

Ob Essigsäure, Formaldehyd oder die fußballförmigen Fullerene: Astronomen haben schon eine ganze Reihe von organischen Molekülen im Weltraum nachgewiesen. Die meisten von ihnen finden sich im Umfeld junger Sterne, in Planetarischen Nebeln oder den leuchtenden Überresten von Supernovae. In kühlen, staubigen Molekülwolken vieler Sternenwiegen haben Astronomen auch schon zahlreiche komplexere organische Verbindungen wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) beobachtet. Diese ringförmigen, durch Doppelbindungen verknüpften Kohlenwasserstoffe gelten auf der Erde als Luftschadstoff, im Weltall jedoch dienen diese Moleküle als Kondensationskeime für interstellaren Staub und spielen eine wichtige Rolle für die Bildung neuer Sterne. “Diese großen Moleküle sind im Kosmos sogar relativ häufig”, erklärt Erstautor Justin Spilker von der Texas A&M University. “Dort, wo man diese Moleküle gefunden hat, strahlen meist auch Babysterne.”

Mit dem MIRI-Spektrometer und einer Gravitationslinse

Jetzt ist es dem Team um Spilker erstmals gelungen, solche organischen Moleküle auch im frühen Kosmos nachzuweisen. Dafür nahmen sie die rund zwölf Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie SPT0418-47 mit dem MIRI-Spektrometer des James-Webb-Teleskops ins Visier. Die Wahl fiel auf diese Galaxie, weil ihr Licht durch das Phänomen des Gravitationslinseneffekts verstärkt und vergrößert wurde. Dieser Effekt entsteht, wenn sich ein massereiches Vordergrundobjekt wie ein Galaxienhaufen oder eine große Galaxie so vor ein fernes Objekt schiebt, dass dessen Licht von der schwerkraftbedingten Krümmung der Raumzeit abgelenkt und verzerrt wird. Das Vordergrundobjekt wirkt dadurch wie eine Art Lupe. “Indem wir die Leistungsfähigkeit des Webb-Teleskops mit diesem natürlichen Vergrößerungsglas kombinierten, konnten wir mehr Details erkennen als normalerweise möglich”, erklärt Spilker.

Mithilfe des MIRI-Spektrometers suchten die Astronomen in der Galaxie SPT0418-47 gezielt nach der spektralen Signatur von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen. Diese hinterlassen typischerweise eine gut sichtbare Spektrallinie im Bereich von 3,3 Mikrometer Wellenlänge. “Diese 3,3 Mikrometer-Linie – die PAK-Signatur mit der kürzesten Wellenlänge – entsteht durch die Vibrationsmodi der Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen im PAK-Molekül”, erklären die Forscher. “Sie wird nur von kleinen neutralen PAKs mit weniger als 100 Kohlenstoffatomen emittiert.” Tatsächlich gelang es den Astronomen, diese Signatur in der fernen Galaxie SPT0418-47 aufzuspüren. Nähere Analysen bestätigten, dass diese Spektrallinie nicht von anderen möglichen Quellen solcher spektralen Signaturen stammen konnte, wie beispielsweise dem Staub um einen aktiven Galaxienkern. Stattdessen stammt das Signal mit hoher Wahrscheinlichkeit von organischen Molekülen aus dem kühlen Gas und Staub im Umfeld von Sternbildungszonen, wie die Astronomen berichten.

PAKs aus der Zeit rund 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall

Damit hat das Team erstmals solche komplexen organischen Moleküle in einer Galaxie des frühen Kosmos nachgewiesen. Sie existierten bereits rund 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall, als das Universum erst zehn Prozent seines heutigen Alters erreicht hatte. “Es ist erstaunlich, dass wir diese auf der Erde in Rauch und Smog vorkommenden Moleküle sogar in Milliarden Lichtjahren Entfernung identifizieren können”, sagt Co-Autor Kedar Phadke von der University of Illinois in Urbana-Champaign. “Aber Entdeckungen wie diese sind genau das, wofür das James-Webb-Teleskop gebaut wurde: Damit wir die frühesten Stadien unseres Universums auf neue und aufregende Weise kennenlernen und verstehen können.” So zeigen die neuen Daten, dass es auffallende Variationen in der Verteilung der PAKs in der fernen Galaxie gibt – und dass die Zonen ihrer größten Dichte nicht unbedingt dort liegen, wo man es erwarten würde: “Die Strahlung von PAK-Molekülen, heißem Staub und großen Staubkörnern sowie Sternen sind räumlich unterschiedlich verteilt”, berichten die Astronomen. In einigen Teilen der Galaxie gab es zwar Sternbildung, aber keine PAKs, in anderen gab es PAKs, aber keine Sternbildung.

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Nach Ansicht von Spilker und seinen Kollegen könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass es in solchen frühen Galaxien komplexe lokalisierte Prozesse gab, die bisher noch nicht komplett verstanden sind. Sie könnten zur räumlichen Trennung von grobem Staub und organischen Molekülen geführt haben, wie das Team erklärt. Denkbar sei aber auch, dass lokale Unterschiede in der ultravioletten Strahlung diese Unterschiede erzeugten. “Nachdem wir nun demonstriert haben, dass es möglich ist, diese Signaturen im frühen Kosmos aufzuspüren, wollen wir dieser Frage nun weiter nachgehen”, sagt Spilker. Die Astronomen wollen in Folgebeobachtungen klären, ob die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe auch in solchen Galaxien eng mit der Sternbildung verknüpft sind oder nicht. “Der einzige Weg, das herauszufinden, ist, sich mehr solcher Galaxien anzuschauen – vielleicht sogar noch weiter entfernte als diese hier”, so der Forscher.

Quelle: Justin Spilker (Texas A&M University, College Station) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-023-05998-6

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