Sie nennen ihn „Kobold“: Astronomen sind bei der Fahndung nach dem mysteriösen Planeten 9 auf einen zuvor unbekannten Zwergplaneten am Rande unseres Sonnensystems gestoßen. Die Merkmale seiner extrem ausladenden Umlaufbahn unterstützen nun die Theorien von der Existenz des großen Unbekannten im Sonnensystem, sagen die Forscher.
Gibt es jenseits des Neptun einen bislang unentdeckten großen Planeten? Diese spannende Frage beschäftigt Astronomen seit einiger Zeit. Bisher basiert die Theorie von der Existens des Planeten 9 allerdings nur auf indirekten Hinweisen: Die Bewegungen von Himmelskörpern am Rande unseres Sonnensystems lassen den Einfluss eines möglicherweise neptungroßen Planeten auf einer „abwegigen“ Umlaufbahn vermuten. Mittlerweile bestätigen mehrerer Studien, dass „irgendetwas“ einige der sogenannten Transneptunischen Objekte zu beeinflussen scheint.
Um den Mystery-Planeten und weitere unbekannte Himmelskörper direkt zu erspähen, richtet ein Team aus US-Astronomen bereits seit einiger Zeit gezielt den Blick auf den Außenbereich unseres Sonnensystems. Im Rahmen dieser Fahndung ist ihnen zwar noch nicht der gesuchte Planet 9 ins Netz gegangen, aber wie sie nun berichten, ein interessanter „kleinerer Fisch“. „Diese entfernten Objekte sind wie Brotkrumen, die uns zu Planet 9 führen – je mehr wir finden, desto besser können wir das äußere Sonnensystem und den möglichen Planeten verstehen“, sagt Erstautor Scott Sheppard von der Carnegie Institution for Science in Washington DC.
Ein Kobold weit draußen
Den ersten Hinweis auf den Himmelskörper mit der Bezeichnung 2015 TG387 lieferte das Subaru 8-Meter-Teleskop auf dem Mauna Kea in Hawai bereits im Oktober 2015. Wegen der zeitlichen Nähe zu Halloween gaben ihm die Astronomen den Spitznamen „The Goblin“ – „Der Kobold“. Durch nachfolgende Beobachtungen bis einschließlich 2018 konnten die Forscher weitere Informationen sammeln und die Umlaufbahn des Himmelskörpers um die Sonne bestimmen. Nun reihen sie 2015 TG387 offiziell in die Liste der bekannten Transneptunischen Objekte ein.
Wie sie berichten, handelt es sich um einen Himmelskörper am unteren Ende des Größenbereichs der Zwergplaneten: Der Kobold besitzt nur einen Durchmesser von etwa 300 Kilometern. Er umkreist die Sonne auf einem sehr langestreckten Orbit, geht aus den Untersuchungen hervor. Den Berechnungen der Astronomen zufolge braucht 2015 TG387 etwa 40.000 Jahre für eine Umrundung. Am Punkt der größten Annäherung an die Sonne – beim Perihel – beträgt der Abstand noch immer 65 Astronomische Einheiten (AE). Eine AE definiert den Abstand zwischen der Erde und der Sonne.
Bisher sind nur von zwei weiteren Transneptunischen Objekten weiter entfernte Perihelia bekannt: Der Himmelskörper mit der Bezeichnung 2012 VP113 kommt auf rund 80 AE und der Zwergplanet Sedna auf 76 AE. Was den neu entdeckten Vertreter allerdings hervorhebt, ist die extreme Maximalentfernung von der Sonne, auf die ihn seine langestreckte Umlaufbahn bringt: Der Kobold entfernt sich demnach bis auf etwa 2300 AE. “Wir konnten 2015 TG387 nur entdecken, weil er sich gerade in der Nähe der Sonne befindet. Für 99 Prozent seiner 40.000 Jahre dauernden Umlaufbahn wäre er nicht erkennbar”, sagt Co-Autor David Tholen von der University of Hawaii in Honolulu. “Wir vermuten, dass es noch Tausende von kleinen Himmelskörpern wie 2015 TG387 am Rande des Sonnensystems gibt, aber ihre Entfernung macht es sehr schwierig, sie zu finden”, so der Astronom.
Im Bann von Planeten 9?
Wie er und seine Kollegen berichten, stecken in den Ergebnissen zu 2015 TG387 nun wichtige Informationen über das äußere Sonnensystem und auch Hinweise für die Suche nach dem Planeten 9. “Objekte wie 2015 TG387, 2012 VP113 und Sedna sind vom Einfluss der meisten bekannten Massen des Sonnensystems isoliert, was sie immens interessant macht”, sagt Sheppard. “Sie können als Sonden verwendet werden, um zu verstehen, was am Rande unseres Sonnensystems geschieht”, erklärt der Astronom.
In diesem Zusammenhang haben die Forscher bereits Computersimulationen durchgeführt, die aufzeigen, wie sich verschiedene hypothetische Planeten-9-Orbits auf die Umlaufbahn von 2015 TG387 auswirken würden. Wie sie berichten, lassen die Ergebnisse erneut die Existenz des großen Unbekannten plausibel erscheinen. Er hat demnach den Effekt eines Gravitations-Hirten, der die Bewegungen einiger Transneptunischer Objekte bestimmt. “Es zeichnet sich ab, dass der vermutete Planet 9 den Himmelskörper 2015 TG387 ähnlich beeinflusst wie andere extrem entfernte Objekte des Sonnensystems“, sagt Co-Autor Chad Trujillo von der Northern Arizona University. „Die Ergebnisse können zwar noch immer nicht beweisen, dass es in unserem Sonnensystem einen weiteren massereichen Planeten gibt, aber sie liefern weitere Hinweise darauf, dass es tatsächlich noch etwas Großes da draußen gibt”, sagt Trujillo abschließend.
Quelle: Carnegie Institution for Science, Astronomical Journal