In den Ozeanen wird es lauter: Der zunehmende Kohlendioxidgehalt der Luft macht die Meere saurer ? und das führt dazu, dass Geräusche von Meeresbewohnern, Schiffen, Regen und Wellen unter Wasser besser transportiert werden. Das schließen US-Forscher aus einer Computersimulation. Ihre Berechnungen ergaben, dass sich die Dämpfung von tiefen Tönen bis zum Jahr 2100 in den nördlichen und südlichen Meeren um 60 Prozent reduzieren wird. Als Folge könnten Meeresbewohner im lauteren Ozean ihr Verhalten ändern und sogar gesundheitlich beeinträchtigt werden: Wale könnten beispielsweise in größerem Ausmaß stranden, und Delfine könnten vorübergehend ihr Hörvermögen verlieren.
Die Forscher berücksichtigten in ihren Berechnungen verschiedene Größen, die die Ausbreitung des Schalls unter Wasser beeinflussen können. Der Salzgehalt, die Temperatur und der Druck des Wassers spielen offenbar nur eine untergeordnete Rolle, zeigte die Simulation. Im Wesentlichen bestimmen zwei Faktoren die Schalldämpfung im Meer: die Viskosität des Wassers sowie gelöste chemische Verbindungen wie Borsäure, Magnesiumsulfate und Karbonate. Sie prägen unter anderem das Säure-Base-Gleichgewicht im Wasser und bestimmen damit den pH-Wert. Allerdings tritt seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein Faktor besonders hervor: Durch den vermehrten Ausstoß von Kohlendioxid gelangt immer mehr dieses Treibhausgases in die Meere ? die Ozeane werden saurer.
Die Forscher haben nun den pH-Wert der Meere in Beziehung zur Absorption von Schallwellen gesetzt. Demnach bestimmt der pH-Wert die Schalldämpfung besonders bei den tiefen Tönen, deren Frequenzen unter einem Kilohertz liegen. Bei Tönen mit mehr als 10 Kilohertz ist die Absorption unabhängig vom pH-Wert, und die Viskosität des Wassers wird zur wesentlichen Größe. Seit der Industriellen Revolution ist der pH-Wert der Meere bereits um 0,1 gesunken. Dadurch wird der Schall von Tönen unter einem Kilohertz heute um 10 bis 20 Prozent weiter transportiert als noch vor dem Jahr 1800.
Um zu berechnen, wie der Schall in Zukunft gedämpft wird, griffen die Forscher auf drei Modelle zurück. Im Mittelwert gehen diese davon aus, dass in den nächsten 100 bis 300 Jahren der pH-Wert in einigen Meeresregionen um 0,6 sinken wird. Dadurch verschlechtert sich die Schalldämpfung um 60 Prozent bei tiefen Tönen. Besonders betroffen wären Regionen im Nordatlantik und Nordpazifik sowie in den subtropischen Gebieten um Hawaii, im Panamakanal und in den Gewässern um Japan. Diese lauten und tiefen Töne hätten wahrscheinlich Folgen für die Meeresbewohner. Einige könnten Verletzungen davontragen, Wale würden stranden, weil sie sich nicht mehr orientieren könnten. Von Buckelwalen und Weißwalen ist bereits bekannt, dass sie durch Schiffsgeräusche ihr natürliches Verhalten verändern. Die Wissenschaftler befürchten zudem, dass die Tiere durch die reduzierte Schalldämpfung weniger gut kommunizieren können.
Tatiana Ilyina (Universität von Hawaii, Honolulu) et al.: Nature Geoscience, doi: 10/1038/NGEO719 ddp/wissenschaft.de ? Jessica von Ahn