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Kosmische Mega-Jets entdeckt

Astronomie

Kosmische Mega-Jets entdeckt
Künstlerische Darstellung des Rekord-Jet-Paars „Porphyrion“. E. Wernquist / D. Nelson (IllustrisTNG Collaboration) / M. Oei

Kosmologische Extrem-Ausmaße: Forschende berichten über das bisher größte bekannte Jet-Paar des Kosmos. Die beiden Strahlen, die ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie ins All sendet, erreichen eine Gesamtlänge von sieben Millionen Parsec – 23 Millionen Lichtjahre. Dies entspricht einer Ausdehnung von 140 aneinandergereihten Milchstraßengalaxien. Die kolossale Struktur stammt aus einer Zeit, als unser Universum erst halb so alt und noch deutlich dichter war als heute. Jets Schwarzer Löcher könnten demnach im frühen Universum die Entstehung von Galaxien stärker beeinflusst haben als bisher angenommen, sagen die Forschenden.

Sie schießen gebündelte Ströme aus Elektronen, Atomkernen und magnetischen Feldern in ihre kosmische Heimat und darüber hinaus: Einige supermassereiche Schwarze Löcher im Zentrum von Galaxien machen sich durch gigantische Ausströme – sogenannte Jets bemerkbar. Bereits seit einiger Zeit stehen diese faszinierenden Strukturen im Fokus der Astronomie. Details ihrer Entstehung sind zwar noch unklar, grundsätzlich sind sie aber auf die sogenannte Akkretion – das Fressverhalten der Schwerkraft-Giganten zurückzuführen: Die Jets entstehen durch die extremen dynamischen und magnetischen Effekte, die auf die Materiescheibe um aktive Schwarze Löcher wirken.

Es war bereits bekannt, dass die Ströme sehr weit ins All hinausreichen und damit den Materiefluss im galaktischen und sogar intergalaktischen Medium beeinflussen können. Frühere Beobachtungen der Jets von Schwarzen Löchern ließen vermuten, dass sie Größen von fünf Millionen Parsec (ein Parsec sind 3,26 Lichtjahre) nicht überschreiten. Mit seinen rund sieben Millionen Parsec belegt das neue Rekord-Exemplar nun allerdings, dass die Ströme auch über noch größere Distanzen hinweg der Zerstörung durch kosmologische Instabilitäten entgehen können.

Das größte Jet-System unter vielen

Entdeckt haben es die Forschenden um Martijn Oei von der Universität Leiden im Rahmen einer Himmelsdurchmusterung zur Suche nach den geheimnisvollen Jets. Dabei kam das europäische Radioteleskop LOFAR (LOw Frequency ARray) zum Einsatz. Es handelt sich um einen Verbund aus vielen Antenneneinheiten an verschiedenen Standorten in Europa, deren Signale zu einem einzigen Signal kombiniert werden. Um nach Jets zu suchen, wurden die Radiodaten unter anderem durch maschinelles Lernen ausgewertet. Dadurch kam das Team Tausenden von großen Jet-Systemen Schwarzer Löcher auf die Spur.

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„Riesenjets waren bereits bekannt, bevor wir mit der Kampagne begannen, aber wir hatten keine Ahnung, dass sich so viele finden würden“, sagt Co-Autor Martin Hardcastle von der University of Hertfordshire. Unter den Entdeckungen befand sich dann auch der neue Rekordhalter. Aus den Berechnungen ging hervor, dass die Struktur insgesamt eine Länge von sieben Millionen Parsec, also etwa 23 Millionen Lichtjahre erreicht. Sie wird dabei von zwei Jets gebildet, die in entgegengesetzten Richtungen von einem supermassereichen Schwarzen Loch ausgehen. „Die Milchstraße wäre ein kleiner Punkt in diesen beiden gigantischen Gebilden. Wir sprechen hier von insgesamt 140 Milchstraßendurchmessern“, sagt Oei.

Wie sich Jets so weit über ihre Wirtsgalaxien hinaus ausdehnen können, bleibt bisher zwar unklar. „Meine Interpretation ist aber, dass ungewöhnlich langlebige und stabile Akkretionsereignisse um die supermassereichen Schwarzen Löcher nötig sind. So können sie so lange aktiv sein, dass die Jets während dieser ganzen Zeit in dieselbe Richtung zeigen. Was wir aus der großen Anzahl der gefundenen Riesen lernen, ist, dass dies offenbar relativ häufig der Fall ist“, sagt Hardcastle.

Blick in die kosmische Geschichte

Das Team benannte die entdeckte Rekord-Jet-Struktur „Porphyrion“ – nach einem Riesen aus der griechischen Mythologie. Durch Daten weiterer Teleskope konnten die Forschenden das System schließlich auch lokalisieren: Porphyrion entspringt demnach einem Schwarzen Loch, das im Zentrum einer Galaxie sitzt, die etwa zehnmal massereicher ist als unsere Milchstraße und sich in einer Entfernung von 7,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde befindet. Diese Distanz ist dabei gleichbedeutend mit einem tiefen Blick in die Vergangenheit: Wir sehen Porphyrion im Zustand etwa 6,3 Milliarden Jahre nach dem Urknall, erklären die Forschenden. Damals hatte sich das Universum noch nicht so weit ausgedehnt, wodurch sich die Galaxien näherstanden und das kosmische Netz dichter strukturiert war als heute.

Somit deuten die neuen Erkenntnisse nun darauf hin, dass die riesigen Jet-Systeme damals einen größeren Einfluss auf die Entstehung von Galaxien im jungen Universum gehabt haben könnten als bisher angenommen. „Man nimmt an, dass sich Galaxien und ihre zentralen Schwarzen Löcher gemeinsam entwickeln, und ein Schlüsselaspekt dabei ist, dass Jets riesige Mengen an Energie verbreiten können, die das Wachstum ihrer Wirtsgalaxien und anderer Galaxien in ihrer Nähe beeinflussen. Diese Entdeckung zeigt also, dass ihre Auswirkungen viel weiter reichen können, als wir dachten“, sagt Co-Autor George Djorgovski vom California Institute of Technology in Pasadena. Dazu ergänzt Oei: „Wenn weit entfernte Jets die Größenordnung des kosmischen Netzes erreichen können, dann könnte jeder Ort im Universum zu irgendeinem Zeitpunkt in der kosmischen Zeit von der Aktivität Schwarzer Löcher betroffen gewesen sein“.

Abschließend sagt der Astronom: „Wir sehen vielleicht auch nur die Spitze des Eisbergs. Denn unsere LOFAR-Durchmusterung deckte nur 15 Prozent des Himmels ab. Und die meisten dieser gigantischen Jets sind wahrscheinlich schwer zu entdecken, daher glauben wir, dass es noch viel mehr dieser Giganten da draußen gibt“, so Oei.

Quelle: California Institute of Technology, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07879-y

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