Anzeige
1 Monat GRATIS testen. Danach zum Jubiläumspreis weiterlesen.
Startseite »

Kompakter Lückenfüller im Spiegel von Gravitationswellen

Astronomie

Kompakter Lückenfüller im Spiegel von Gravitationswellen

Video: Ein Schwarzes Loch und ein Neutronenstern (orange) umkreisen einander immer enger und erzeugen dabei Gravitationswellen. © I. Markin (Universität Potsdam), T. Dietrich (Universität Potsdam und Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik), H. Pfeiffer, A. Buonanno (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik)

Einem Exemplar der mysteriösen unteren Massenlücke auf der Spur: Astronomen haben Gravitationswellen detektiert, deren Merkmale auf die Verschmelzung eines Neutronensterns mit einem besonders leichten Schwarzen Loch schließen lassen. Es weist demnach nur das 2,6- bis 4,7-fache der Sonnenmasse auf. Die Entdeckung mittels Gravitationswellenforschung wirft damit neues Licht auf die Massenverteilung dieser kompaktesten Objekte im Kosmos, sagen die Wissenschaftler.

Es war ein Paukenschlag in der Geschichte der Astronomie: Vor etwa acht Jahren konnten erstmals Gravitationswellen nachgewiesen werden, deren Existenz bis dahin reine Theorie war. Es handelt sich dabei um Schwingungen der Raumzeit, die durch die extremen Massenbeschleunigungen ausgelöst werden, die im Rahmen der Kollision von Himmelskörper wie Schwarzen Löchern und Neutronensternen auftreten. Seither haben Detektoren viele weitere kosmische Beben erfasst. Ein interessanter Aspekt ist dabei: Die Merkmale der Gravitationswellen lassen auch Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Kollisionspartner zu. So zeichneten sich bereits Kollisionen zweier Neutronensterne ab sowie ungleich massereicher Schwarzer Löcher.

Rückschlüsse auf die Kollisionspartner

Es gab auch schon Hinweise auf die Kollision eines Schwarzen Lochs mit einem Neutronenstern. Das Besondere ist dabei: Es wurde vermutet, dass es eine Massenlücke gibt, die die schwersten Neutronensterne von den leichtesten Schwarzen Löchern trennt. Man geht dabei davon aus, dass Neutronensterne leichter sind als das Dreifache der Masse unserer Sonne. Bei welchem Übergewicht sie aber zu einem Schwarzen Loch kollabieren, ist unbekannt. „Angesichts von Beobachtungen im elektromagnetischen Spektrum und unseres derzeitigen Verständnisses der Sternentwicklung nahm man an, dass es nur sehr wenige Schwarze Löcher oder Neutronensterne im Bereich von drei bis fünf Sonnenmassen gibt. Die Masse eines der jetzt entdeckten Objekte fällt jedoch genau in diesen Bereich“, sagt Co-Autorin Alessandra Buonanno vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam.

Wie Buonanno und ihre Kollegen berichten, basiert die Entdeckung auf einer Verbesserung der Empfindlichkeit der Detektoren des Gravitationswellen-Observatoriums LIGO in den USA. Am 29. Mai 2023 erfasste der LIGO-Livingston-Detektor dann ein Gravitationswellenereignis, das als GW230529 bezeichnet wurde. Die Analysen des Signals ergaben dabei zunächst, dass es auf eine Verschmelzung zweier Himmelskörper in einer Entfernung von rund 650 Millionen Lichtjahren von der Erde zurückzuführen war.

Anzeige

Um die Eigenschaften der Objekte zu bestimmen, die das Gravitationswellen-Signal erzeugt haben, verglich das Forschungsteam nun die Daten des LIGO- Detektors in Livingston mit zwei verschiedenen hochmodernen Wellenformmodellen. „Die Modelle berücksichtigen eine Reihe relativistischer Effekte, um sicherzustellen, dass das resultierende Signalmodell so realistisch und umfassend wie möglich ist, was den Vergleich mit Beobachtungsdaten erleichtert“, erklärt Co-Autor Héctor Estellés Estrella vom Albert-Einstein-Institut Potsdam. Sein Kollege Lorenzo Pompili fügt hinzu. „Unter anderem kann unser Wellenformmodell Schwarze Löcher genau beschreiben, die mit einem Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit in der Raumzeit herumwirbeln und dabei Gravitationswellen aussenden“.

Ein Neutronenstern und ein leichtes Schwarzes Loch

Wie das Forschungsteam berichtet, spiegelte sich in den modellgestützten Datenanalysen wider: GW230529 stammt aus der Verschmelzung eines kompakten Objekts der 1,3- bis 2,1-fachen Masse unserer Sonne mit einem weiteren extrem dichten Himmelskörper der 2,6- bis 4,7-fachen Sonnenmasse. Die Astronomen gehen anhand weiterer Hinweise davon aus, dass das leichtere Objekt ein Neutronenstern ist. Im Fall des schwereren können sie zwar nicht ausschließen, dass es sich um einen extrem schweren Neutronenstern handelt. Sie nehmen aber an, dass es ein leichtes Schwarzes Loch ist. Auf jeden Fall fällt das Objekt aber in die Massenlücke, die bisher als weitgehend leer galt, resümieren die Forschenden. Wie das leichte Schwarzes Loch entstanden sein könnte, bleibt allerdings unklar. Für das direkte Produkt einer Supernova erscheint es zu leicht. Eine Möglichkeit wäre allerdings, dass es zuvor durch die Verschmelzung zweier Neutronensterne entstanden ist, sagen die Wissenschaftler.

Die Beobachtung lässt nun vermuten, dass Systeme wie GW230529 und damit “Lückenfüller” nicht so ungewöhnlich sind wie gedacht. Möglicherweise könnten weitere Untersuchungen dies auch bestätigen, sagen die Forschenden. Denn wie sie erklären, könnte es bei Kollisionen von Neutronensternen mit massearmen Schwarzen Löchern zu weiteren detektierbaren Signalen kommen. „Falls das Schwarze Loch deutlich schwerer als der Neutronenstern ist, bleibt nach der Verschmelzung keine Materie außerhalb des Schwarzen Lochs zurück und es wird keine elektromagnetische Strahlung ausgesandt. Leichtere Schwarze Löcher dagegen können den Neutronenstern mit ihren stärkeren Gezeitenkräften zerreißen und dabei Materie herausschleudern, die als Kilonova oder Gammastrahlenblitz aufleuchten kann”, erklärt Co-Autor Tim von der Universität Potsdam. Daher sollte auch ein Nachleuchten im elektromagnetischen Spektrum häufiger zu beobachten sein als bisher angenommen.

Indes hofft das Forschungsteam nun auf weitere spannende Nachweise von Gravitationswellen, die Rückschlüsse auf die Himmelskörper ermöglichen, die für die kosmischen Beben sorgen. „Dies sind sehr aufregende Zeiten für die Gravitationswellenforschung: Wir stoßen in Bereiche vor, die unser theoretisches Verständnis astrophysikalischer Phänomene, die durch die Gravitation bestimmt werden, verändern dürften“, so Buonanno.

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft

Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

ei|sen|ver|ar|bei|tend  auch:  Ei|sen ver|ar|bei|tend  〈Adj.〉 ~e Industrie I., die auf die Verarbeitung von Eisen spezialisiert ist … mehr

ar|chi|tek|to|nisch  〈[–çi–] Adj.〉 1 die Architektonik od. Architektur betreffend, zu ihr gehörig, auf ihr beruhend 2 baulich, baukünstlerisch … mehr

Zinn|chlo|rid  〈[–klo–] n. 11; unz.; Chem.〉 Verbindung aus Zinn u. Chlor

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige